In Paole Contes Lied „Max“ heißt es: Max era Max, più tranquillo che mai, la sua lucidità… Für den Nicht-Italiener klingt es ein wenig geschwollen: Max war Max, ruhiger als jemals zuvor, seine Brillianz... . Da ich ein großer Fan des italienischen Jazz-Musikers bin, war die Assoziation vorprogrammiert, als mir Max Benatar von Gaziano & Girling zum Gruß auf der Savile Row No. 39 die Hand reichte. Der 26-Jährige Deutsche präsentierte mir dann in ruhiger und brillanter Art und Weise die wunderbare Welt des einzigen Schuhmachers auf der goldenen Meile der Schneider in London.
Gaziano & Girling – Die Idee der Fusion von Qualität und Design
Tony Gaziano und Dean Girling gründeten Gaziano & Girling 2006, um der etwas eingestaubten Konkurrenz aus Northhampton, dem Mekka der britischen Schuhindustrie, und London zu zeigen, dass hoher britischer Qualitätsanspruch mit designtechnischer Innovation kombiniert werden kann.
Beide Herren brachten genug Erfahrung von ihren vorherigen Stationen mit. Der ehemalige Archtikturstudent Tony Gaziano startete seine Karriere in der Schuhindustrie im Bereich Design bei Cheaney, wo es viel Arbeit von Paul Smith und Jeffrey West umzusetzen galt. Nach einigen Jahren wechselte Tony zu einem der besten Schuhmacher Englands, Edward Green. Das Produkt war ein Quantensprung in Sachen Qualität und Zeitlosigkeit im Vergleich zum vorherigen Arbeitgeber. Das Haus gab Herrn Gaziano einen tiefen Einblick in das eigentliche Produkt und so arbeitete er dort für drei Jahre. Danach ging er als Auszubildener zu George Cleverley, um das Produkt Schuh noch besser zu verstehen und übernahm die Führung für die Maßarbeit. Bei Cleverley traf Tony auch seinen späteren Partner Dean Girling, der zu der Zeit als Schuhmacher für Cleverley tätig war. Diese Begegnung liegt gut 20 Jahre zurück und damals hatten die beiden Herren sicherlich nicht den Plan unter ihrem Namen zu gründen. Ein paar Jahre später wurde Tony gefragt, ob er das Design für Edward Green wieder übernehmen möchte und verließ so Cleverley. 2 Jahre danach wurde Gaziano & Girling geboren, als Dean Tony überredete, aus den steifen Grenzen des klassischen Designs auszubrechen und mit ihm zusammen eine eigene Manufaktur zu gründen.
Mittlerweile ist Gaziano & Girling nicht nur in England, sondern weltweit eine Instanz. Die Erfolgsgeschichte kennt keinen Vergleich und ist der Beweis, dass der Kunde sich nach einem Schuh, der die Attribute handgemacht, englisch, modern und zeitlos trägt, seit langem gesehnt hat. So kommt es, dass G&G sowohl den Fuß des italienischen Playboy als auch den des britischen Aristokraten voller Stolz schmückt.
Der Stil
Man merkt beim Anblick eines Schuhs von Tony, dem Chefdesigner, sofort, dass er Ästhetik lebt und liebt: die Schuhe sind – einfach ausgedrückt - schmal und elegant. Max erklärt, dass G&G stetig die Balance zwischen klassischem und modernem Schuhdesign für den Gentleman, der sich nach Neuerungen sehnt, aber auch nicht overstyled aussehen möchte, sucht. Dieser Approach ist ein Gebot für jedes Paar von der Ready-To-Wear Kollektion über das Made-To-Order bis hin zum Bespoke: Jeder Liebhaber soll vom Budget unabhängig in den Genuss des unnachahmlichen Stils kommen und so an das Unternehmen gebunden werden.
Die Qualität
Tony und Dean teilen sich ihre Funktionen im Unternehmen hervorragend auf, so dass jeder seine Stärken ausspielen kann. Während Tony - wie bereits erwähnt - sich dem Design widmet, ist es Deans Aufgabe das andere Herzstück des Unternehmens, die Qualität, schlagen zu lassen. Tony sagte mal über die Zusammenarbeit mit Dean:
He is a little bit crazy with quality; he is our factory worst enemy! He has tremendous technical knowledge about shoes, he understands the mechanics of the shoes. If something is not right, he can walk into the factory and put it right. He lets me create, I let him maintain.
So einen Qualitätsmanager kann man sich in einem Unternehmen nur wünschen und der Kunde kann sich sicher sein, dass hier seine Füße in guten Händen liegen: Die Handwerker der Manufaktur in Kettering in Northamptonshire – die erste Schuhfabrik, die dort seit über 100 Jahren gegründet wurde -, haben keine andere Wahl, als sich stets auf ihre Kernkompetenz Qualität zu konzentrieren. Dementsprechend unterliegt jede Linie von Gaziano & Girling – ähnlich wie beim Design-Approach – den selben Qualitätsstandards und es werden die gleichen Materialien verwendet: Der Unterschied zwischen Ready-To-Wear, Made-To-Order und Maßschuh ist somit nur Passform und Ausmaß der Handarbeit – an der Qualität wird nie gespart.
Die Prinzipien
Max spricht immer wieder von den Prinzipien auf die Gaziano & Girling fußt. Das höchstinteressante ist hierbei die konsequente Umsetzung dieser Prinzipien. Neben den oben beschriebenen Charakteristika der Marke wie einzigartiges und zeitloses Design, Made in England und die beeindruckende Qualität wird in den Prinzipien Bezug genommen auf den sofortigen Tragekomfort der Schuhe, die Position zum britischen Handwerk und dessen Tradition und die unermüdliche Material- und Lederkontrolle. Die Umsetzung dieser Prinzipien ist bei Gaziano & Girling oberstes Gebot und dadurch für den Kenner ein weiterer Grund, sich für die Marke zu entscheiden.
Ich stelle nach meinem Besuch bei Max fest, dass es sich bei seinem Arbeitgeber um keinen Kompromiss zwischen Design und Qualität handelt: Es ist eine Fusion!
Zusatzinformationen
Erstens, Max’ Begeisterung für das britische Schuhwerk ist bemerkenswert und ich hätte mir keine bessere Einführung in die Schuhwelt Londons vorstellen können. Für den Leser ist dies ein Zeichen, dass man kein Italiener, Brite, Japaner oder sonst etwas sein muss, um die Tiefen der Gentleman-Kultur zu verstehen und zu meistern. Zweitens, mein Namensvetter wusste die schöne Anekdote zu erzählen, warum sich damals in Northhampton alle Schuhmacher niederließen. Der Grund war ein einfacher: In Northhampton waren viele Metzger ansäßig und was ist das Abfallprodukt dieser? – Richtig! Leder. So gesellten sich irgendwann die Gerber dazu und die Schuhmacher ließen auch nicht lange auf sich warten. So kommt es, dass auch heute noch Northhampton die Zentrale der Schuhmacher in England ist. Drittens, Tony hat vor einiger Zeit in einem Interview folgenden Satz gesagt, der nicht nur zu G&G passt, sondern mit dem sich auch der Leser dieses Journals identifizieren sollte: I kind of reject trends. I like timeless. MM