Berlin. Ich klingele an der Ladentür am Hohenzollerndamm 201 und es ertönt ein langes, dramatisches Ding-Dong. Drinnen spielt Wagner und Korbinian Ludwig Heß öffnet mir in langer Lederhose und Lederschürze die Türen. Ruckzuck steht man in einem kleinen Paradies für Qualitäts- und Schuhfanatiker. Der tageshelle, hohe Eingangsraum dient als Anproberaum, das Nebenzimmer als Werkstatt. Dort stehen keine Maschinen, gearbeitet wird hier von Hand. 100 Stunden rechnet der Mann mit dem großen Schnauzer für ein Paar Maßschuhe aus seiner Hand. Doch wie kommt ein so junger Herr zu einem eigenen Maßschuhatelier. Ich muss dann wohl doch aufhören zu staunen und Fragen stellen.
Korbinian Ludwig Heß - Hartnäckigkeit macht sich bezahlt
Für Herrn Heß war es nicht immer klar, dass er Schuhmacher werden würde. Nach dem Abitur in München, zog es ihn an die Universität: Englisch, dann Deutsch und später Geschichte sollte es werden. Allerdings war das nicht wirklich das, was er sich vom Studium versprochen hatte. Es zog ihn nach Berlin - der Liebe wegen - und entschloss sich nach einem kurzen Trip nach Stockholm zur Maßschuhmacherei. Nichts ist ehrlicher als Handwerk! Bei einer lokalen Schuhmacherin stand er dann auf einmal auf der Matte und sagte, er wolle Schuhmacher werden. Absage! Zweiter Tag, selbe Dame, gleiche Frage. Absage! Dritter Tag, selbe Dame, gleiche Frage. Setz' Dich da in die Ecke und schau zu! Schnell begriff man, dass man mit dem Herrn 'was anfangen kann und er durfte zuarbeiten und später selbst erarbeiten. Mit seinen Fähigkeiten bestand er auch die nächste Prüfung: Probearbeit beim König der Schuhmacherei, Rudolf Scheer und Söhne in Wien. Heß lernte den Wiener Stil und baute Maßschuhe für zwei Jahre. Dann zog es ihn über Schuhmacherbetriebe in München, London, Freiburg und Leipzig ins geliebte Berlin zurück. ... und jetzt nach acht Jahren Schuhmacherei? Jetzt steht er da mit seinem eigenem Atelier in Berlin-Wilmersdorf und baut seine eigenen Schuhe.
Ein neuer deutscher Stil
Als die Frage dahin geht, wie er seinen Stil definieren würde, überlegt er kurz und erklärt, dass die Schuhe eigentlich wenig mit dem Wiener Stil zu tun haben, den er anfangs gelernt hat. Er hat einen eigenen Stil entwickelt und möchte diesen mehr und mehr verfeinern. Der erste Eindruck ist ein stabiler, hochqualitativer Schuh, auf den zweiten Blick erschließen sich dem Beobachter aber viele kleine Details und Feinheiten, die die Handschrift eines Ästheten tragen und den Schuh augenblicklich auf ein Weltniveau katapultieren. Auf meiner ellenlangen Wunschliste steht nach meinem Besuch bei KLH zweifelsohne ein Maßschuh made in Berlin.
Zusatzinformationen
Erstens, interessehalber fragte ich Korbinian, ob er mir einen kleinen Einblick in Lederkunde geben könnte. Daraus wurde ein halbstündiger Exkurs in französische, englische und deutsche Gerbereikunst. Zweitens, die Lieferzeiten für ein Paar Maßschuhe von Korbinian Ludwig Heß liegt bei sechs bis acht Monaten. Drittens, auf den Geschmack gekommen? Dann würde ich vorschlagen, Sie melden sich einfach mal bei dem sympathischen Magnum - Link hinterlegt. MM