Bei meinem ersten Gespräch mit Romain Biette an der Pitti Uomo in Florenz haben mich gleich zwei Sachen gefreut: Zum einen war ich nicht mehr der einzige Jungspund, der sich für Schnittkunst begeistern kann, zum anderen ist er und seine Firma Ardentes Clipei eine Inspiration für mich. Die Geschäftsidee zeigt, dass man immer eine Wahl hat, sich für seine Leidenschaft zu entscheiden. Romain ist 26 Jahre alt und seine Karriere war eigentlich vorbestimmt und nach einer entscheidenden Station in seinem Leben sagte er sich, dass es nicht nur den einen Weg gibt.
Ardentes Clipei - Eine Leidenschaft wird Lebensinhalt
Romains Pläne könnte man als vorbestimmt ansehen: Beide Elternteile sind Anwälte in Paris. So begab auch er sich auf den advokatorischen Pfad. Nachdem er sein juristisches Studium in Frankreich aufnahm, fand er in einem Praktikum in Hong Kong einen Punkt, der sein Leben verändern sollte. Ein junger Herr schaffte es dort mit nichts außer ein paar Groschen in der Tasche ein Uhrenimperium aufzubauen und erfolgreich zu monetarisieren. Dieser Herr folgte seiner Leidenschaft und Romain war angetan von der Idee, nicht den geraden Weg zu gehen und die Leidenschaft zum Beruf zu machen. Schon immer von Zeitlosigkeit und Eleganz beeindruckt, entschied er sich, sein Jurastudium abzubrechen und sich in Formation Tailleur, einer Pariser Schneiderschmiede, einzuschreiben. Der Weg des Schneiders in der Ausbildung ist - wie überall - lang und beschwerlich, doch sein unglaublicher Wille und sein handwerkliches Talent erleichterten ihm die Reise. Mit seinem Diplom in der Tasche entschloss er sich gleich nach der Ausbildung, Ardentes Clipei zu gründen: Eine kleine Schneiderboutique mitten im 8. Arrondissement von Paris. Sein Ziel war kein kleines: Er möchte das französische Handwerk und die Pariser Schneidertradition aufleben lassen.
"Der französische Stil ist detailverliebt"
Am ehesten denkt man an das altehrwürdige Haus Camp de Luca, das für eine herbe Konservative steht, oder an die von der südfranzösisch inspirierten Silhouetten von Hermès, wenn man an französischen Schneiderstil denkt. Aber weil den meisten Interessenten kein wirkliches Bild vorschwebt, muss ich wohl Romain fragen.
Romain erklärt, dass der französische Stil als Mittelweg zwischen den zwei berühmten europäischen Stilen - englisch und italienisch - bezeichnet werden könnte. Man räumt ein wenig Platz für italienische schnitttechnische Innovation ein, ohne dabei das englische Understatement zu vernachlässigen. Außerdem seien die Franzosen detailverliebt. Auch mir kam es bei meinem Besuch in Paris so vor, dass englische Materialien auf italienische Schnitte treffen. Bereits Hardy Amies wusste in seinem Buch "Anzug und Gentleman" davon zu berichten, dass die Franzosen - auch wenn sie es nicht zugeben möchten - schon im späten 18. Jahrhundert zu den englischen Herren aufgeschaut haben. In Versailles gab es deshalb nicht nur le jardin anglais, sondern auch, besonders für Männer, le costume anglais.
Der Stil von Ardentes Clipei
Für seine Kunden arbeitet Romain am liebsten mit verhältnismäßig schweren Stoffen. Seine Lieblingsmaterialien sind das von vielen unterschätzte Mohair, Flannell, Tweed und Fresco. Alles Stoffe, die man häufig an Edward VIII. bestaunen durfte. Aber anstatt den Schnitt konsequent englisch fortzusetzen, arbeitet er mit einer ein bis zwei Zentimeter kürzeren Gesamtlänge. Mit einer meist kontinentalen Schulter und leichten Schnittkonstruktion drückt er Pariser Lebensgefühl aus. Aufgrund der breiten Reversform wirkt die Gesamtproportion sehr maskulin.
Romain steht mit Terminvereinbarung in seinem Studio in der 28 Rue La Boétie im 8. Arrondissement in Paris mit Made-to-Measure und Bespoke zur Verfügung und wird Sie mit einem verre du vin rouge in der Hand noch besser aussehen lassen.
Zusatzinformationen
Erstens, Romains Preise sind weitgefächert und dadurch ist für jedermann etwas dabei: Seine Made-To-Measure Anzüge beginnen bei 600€ und hören bei 1500€ auf. Seine Maßschneiderei öffnet ab 3500€ für die Kundschaft Tür und Toren. Zweitens, eines haben Romain und ich gemeinsam: Unser Stilvorbild ist Alain Delon... nicht das schlechteste Idol. MM