Endlich Montag – L'Avvocato

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Mailand, 6. Januar 1985. Das neue Jahr beginnt mit guten Vorsätzen, Vorfreude und vielen Hoffnungen. Eine gute Zeit also, um mit dem Bau eines neuen Großprojekts zu beginnen. Um genau zu sein, wird unsere Arbeit daran jedoch in keiner Weise zu dessen Vollendung beitragen. Dennoch werden die Größen dieser Stadt, die Presse und der Bauherr selbst mit Spannung meinen Spatenstich erwarten und dokumentieren, wenn heute der Grundstein für das neue Kunstmuseum gelegt wird.

Als Mann der Industrie ist man doch sehr um sein Image bemüht. Folglich fördert man ein solches Projekt, wenn sich die Chance dazu bietet – selbst dann, wenn man davon kaum etwas versteht. Und hat man einmal seine großzügige – aber erträgliche – Spende gemacht, bekommt man sogleich einen goldenen Spaten gereicht. Mit leichtem Teint von unserem Weihnachtsurlaub in der Karibik stehen wir nun an diesem grauen Januar-Mittag in einer Reihe gewählter und nicht-gewählter Politikern, beliebten und weniger beliebten Beamten, bekannten und weniger bekannten Großspendern, Bauherren und Künstlern. Der Herr Bürgermeister versucht, einen Witz zu machen. Das unmissverständliche Zeichen für alle, jetzt ein seliges Lächeln aufzusetzen und gefälligst gut auszusehen.

In unserem Anzug fällt uns das nicht schwer. Das 480 Gramm schwere Flanell von Fox Brothers hat unser Schneider in einen eleganten Zweireiher verzaubert. Das schwere Tuch umschlingt uns wie eine kuschelige Winterdecke. Dabei skulpturiert der Anzug eine geradezu athletische Figur. Die starke Schulterpartie wird durch das breite Revers zusätzlich betont, welches wiederum bis zur untersten Knopfreihe hinabwallt. Die 6x1-Konfiguration, mit tiefem Schließpunkt, gibt dem konservativen Flanellanzug einen aufreizenden Charme.

Die Linienführung des Revers und der Schultern werden außerdem durch den äußerst dezenten Kreidestreifen betont. Dass dieser Anzug anders ist, liegt auch am tiefen Mitternachtsblau des Flanell-Tuchs. Der Blauton wirkt lebendiger als klassisches Marineblau. In der Reihe von grauen Beamten werden wir auf jedem Zeitungsfoto einen strahlenden, hervorstechenden Eindruck machen. Es soll ja nicht unbemerkt bleiben, wie viel die Unternehmer dieser Stadt – und damit meinen wir natürlich uns selbst – für eben jenes Fleckchen Erde tun. 

Das Hemd soll dieses brillante Tuch in seiner Wirkung noch unterstützen. Das von uns ausgesuchte hellblaue Twill-Hemd sorgt mit seiner einfachen Struktur für nicht allzu viel Kontrast zu dem Flanell. Beide Stoffe wirken angenehm weich und fügen sich so gut zusammen. Der Zee-Jerman-Kragen passt wiederum perfekt zu dem lang gestreckten Revers des Anzugs. Bei so einem wichtigen Fototermin dürfen natürlich auch nicht die schönen goldenen Manschettenknöpfe fehlen – deshalb hat das Hemd Umschlagmanschetten. 

Um dem Ganzen einen krönenden Abschluss zu geben, legen wir eine hellgraue Kaschmirkrawatte um. Aufgrund ihrer weichen Struktur, fügt sie sich perfekt in das Gesamtbild ein. Neben den Kreidestreifen des Anzugs braucht es keine weiteren Muster. Vielmehr ordnet sich die Krawatte neben dem Hell- und Dunkelblau des restlichen Ensembles in eine zurückhaltende Farbpalette ein. Dieses Understatement, das sich auch im Material der Krawatte zeigt, erzeugt schlussendlich den eleganten Eindruck eines Staatsmannes. So lassen wir uns gerne ablichten. Folgerichtig tragen wir südlich der Hosenumschläge schwarze Cap-Toe-Oxfords unseres Freundes Korbinian Ludwig Hess. Fertig ist ein erfolgreicher Arbeitstag. JoLo/YS/MM

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