The Mad Tailor: Das Spiel mit Struktur

The Mad Tailor: Das Spiel mit Struktur

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Die Sonne ist aktuell bereits deutlich häufiger zu sehen, als man es sonst im März gewöhnt wäre. Das lädt dazu ein, bereits Teile der Frühlings- oder gar Sommergarderobe aus den Tiefen des Kleiderschrankes zu kramen. Diese scheinbar magische Beeinflussung sorgt aber bei einigen Herren dazu, dass sie sich gleich in ihre gesamte Leinenkollektion hüllen. So beobachtet man nicht selten Kombinationen aus Leinenanzug, -hemd und -einstecktuch, was bei mir ein ungutes Gefühl in der Magengegend auslöst. „Warum das denn?“ mögen Sie sich jetzt fragen „Leinen ist doch ein toller Stoff, und wenn jemand sommerliche Stimmung verbreitet, schadet das doch niemandem!“. Der zentrale Punkt ist jedoch nicht, dass ich Probleme damit habe, mich auf den Sommer umzustellen. Es geht dabei vielmehr um den Kontrast. Damit ist eben nicht nur der deutlich offensichtlichere Farbkontrast gemeint, sondern auch der mindestens genauso wichtige Kontrast, der durch verschiedene Texturen erzeugt wird.

Textur durch abgesetztes Revers.

Das beste Beispiel ist der Smoking. Dessen Revers unterscheidet sich (in der Regel) nicht farblich vom Stoff der Jacke. Die Seide reflektiert das Licht, aber auf eine völlig andere Weise als das Anzugtuch und hebt sich durch diesen Effekt davon ab, was einen deutlich schöneren Effekt hat, als es einfach in einer anderen Farbe anfertigen zu lassen.

Sir Hardy Amies, legendärer Savile Row-Schneider, hat in „Das kleine Buch der Herrenmode“ folgendes zu dem Thema zu sagen: „Es [ist] weit zufriedenstellender, nicht durch Farben, sondern mittels der Textur einen Kontrast zu erzeugen.“ Das liegt hauptsächlich daran, dass der Unterschied deutlich unaufdringlicher ist und somit näher an dem Bild der simplen Eleganz liegt, dass ich vor Augen habe.

Hat dadurch jetzt also der Farbkontrast seine Legitimität verloren? Keineswegs, wage ich zu behaupten. Es ist nahezu unmöglich, eine Kombination verschiedener Kleidungsstücke zusammenzustellen, ohne dabei einen Farbkontrast einzubauen. Das ist auch nichts Schlechtes. Der Kontrast zwischen einem dunklen Anzug und einem weißen Hemd ist beispielweise einer, der eigentlich immer wirkt. Für das Zusammenbringen verschiedener Texturen braucht man allerdings ein ausgeprägtes Fingerspitzengefühl, welches letztendlich aber auch belohnt wird. Häufig ist es nicht leicht auf den ersten Blick zu erkennen was ein Outfit interessant macht. Beim genaueren Hinsehen fallen einem meist Strukturunterschiede der sehr sorgfältig kombinierten Stoffe auf und hinterlassen eine nachhaltigere Wirkung als die verschiedenen Farben. Auch hierzu äußert sich Hardy Amies: „Der Kontrast zwischen der Beschaffenheit einer Seidenkrawatte und der Wolle des Anzuges ist ausreichend an sich, ohne dass darüber hinaus noch ein Farbkontrast nötig wäre.“ Umgekehrt wäre es aber nicht ausreichend, eine Krawatte lediglich durch ihre Färbung von dem Jackenstoff zu trennen.

Texturkontrast.

Jeder hat wahrscheinlich bereits von - mit Halbwissen genährten - Verkäufern die Regel zu hören bekommen, dass man niemals Teile verschiedener Anzüge kombinieren dürfe. Das stammt einerseits daher, dass viele Männer nur über einfarbige Schurwollanzüge verfügen, denen in der Verbindung jeglicher Kontrast fehlt, der diese Konstellation interessant machen könnte. Das kann selbstverständlich umgangen werden, indem Sie in Anzüge aus verschiedene Stoffen investieren (was wir sowieso empfehlen würden und in unserem Artikel „The Mad Tailor: Wann ordert man für welche Saison?“ auch aktiv tun).  Andererseits nutzen sich die Hosen immer schneller ab als die Sakkos, weshalb der Anzug irgendwann nicht mehr als solcher getragen werden kann. Auch diesem Problem kann man allerdings entgehen, indem man sich eine zweite Hose zu seinen Anzügen fertigen lässt. Dann spricht aber nichts mehr dagegen, die Hose des einen Anzuges mit der Jacke eines anderen zu kombinieren, wobei die gleichen Regeln gelten wie bei einem Sportsakko und einer separaten Hose.

Farbkontrast und Texturkontrast.

Anschließend halte ich es für sinnvoll, ein konkretes Outfit zu besprechen und damit hoffentlich auf die Wirksamkeit des Texturkontrastes hinzuweisen. Dabei nutzen wir ein Hemd aus hellgrauem Poplin, welcher eine sehr glatte Oberfläche aufweist. Als Anzug stelle ich mir einen Freskoanzug in Charcoal vor, der sich durch seine raue Oberfläche direkt vom Hemd abhebt. Dazu passt eine mittelgraue Grenadinekrawatte, deren Struktur sich nochmals sehr deutlich von den beiden anderen Materialien abhebt. Dieser Look funktioniert sehr gut, obwohl nahezu der gesamte Kontrast durch die Struktur gesetzt wurde und wir uns farblich nur verschiedener Grautöne bedienen. Lediglich das Schuhwerk zu diesem Ensemble wäre selbstverständlich nicht grau, sondern ein Cap-Toe Oxford aus schwarzen Boxcalf. FMJB/JHS/MM

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