Der Unterschied zwischen Blazer, Sport- und Anzugsjacke?

Der Unterschied zwischen Blazer, Sport- und Anzugsjacke?

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Die erste Frage, die Sie sich bei dieser Überschrift vielleicht fragen, ist: Warum ist das denn jetzt wichtig? Es gibt mehrere Antworten zu der Frage: Erstens liebe ich es, das Wesen des Deutschen herauszufordern, der im Gegensatz zum Engländer, dem Amerikaner oder dem Italienerin der Herrenmode meist immer nur das Mittel zum Zweck zumisst und gerne pauschalisiert. Denn ich muss ihn enttäuschen, es gibt Unterschiede. Womit wir schon beim zweiten Punkt wären: Diese Unterschiede zwischen Blazer, Sport- und Anzugsjacke sind nicht nur aufgrund der reinen Optik wichtig, sondern vor allen Dingen handelt es sich um eine Frage des Respekts. An dieser Stelle zitiere ich Tom Ford, der sagte: „Dressing well is a form of good manners!“ Drittens und letztens sind die Unterschiede zwischen den jeweiligen Jacken historisch bedingt und eignen sich perfekt dazu, ein bisschen das geschichtliche Wissen über die sartoriale Kunst aufzufrischen.

Grundinfomationen und Historie

Blazer

Der Blazer hat seinen Ursprung 1837 in der Royal Navy. In diesem Jahr hatte das Königshaus den Stoff für das Jacket bestätigt. Die klassische Variante der Marine war doppelreihig mit 6 Knöpfen in der Farbe navy. Die einreihige Variante hat nichts mit dem Militär zu tun; stattdessen hat sie ihre Wurzeln in den britischen Ruderclubs. Die Modelle haben zwei Knöpfe und sind deshalb so weit geschnitten, damit die Sportler volle Bewegungsfreiheit beim Rudern hatten.

Sportjacke

Sportjacken, wie wir sie heute kennen, entstanden erst in der 20ern des letzten Jahrhunderts. Diese Jacken wurden lediglich zum Sport - beispielsweise zur Jagd - getragen und sind stark verwandt mit der Northfolk Jacket bzw. der Morning Jacket - mehr dazu in den Zusatzinformationen. Aus diesem Grund sind sie auch weiter geschnitten, um die notwendige Bewegungsfreiheit zu gewährleisten und gegebenenfalls auch einen Pullover oder -under drunterzuziehen. Anfangs galt die Jacke als purer Luxus, weil sich die meisten Herren nur einen einfachen Anzug leisten konnten und nicht eine Jacke für die man noch extra Hosen kaufen musste. Über die Jahre wurden auch diese Jacken finanziell erreichbarer und wurden mehr und mehr zum Casual Klassiker.

Philipp Wyss trägt seine Sportjacke casual nur mit Hemd und Jeans

Anzugjacke

Die Anzugjacke wird nur getragen mit der dazu passenden Hose aus der selben Farbe und dem selben Stoff. Das liegt daran, dass wenn man nur die Jacke beispielsweise auf eine Jeans tragen würde, dass sich die Jacke anders abträgt als die dazugehörige Hose, die weiterhin im Kleiderschrank hängt. Da sie nur mit Hemd und Krawatte getragen wird, ist die Anzugjacke die am schmalgeschnittenste Jacke von den dreien.

Die klassischen Stoffe und Farben der einzelnen Jacken

Das jedoch reicht noch nicht, um die Jacken von einander klar unterscheiden zu können und so sollten wir auf die klassischen Stoffe und Farben eingehen, um unangenehmen modischen Fauxpas zu entgehen.

Stoffe

Blazer

Die Materialien eines klassichen Navyblazers sind Wolle, Flannel oder Kaschmir. Letzteres ist eine Option für diejenigen, die es sich leisten können und einsehen, dass Kaschmir im Vergleich zu Wolle keine lange Halbwertszeit hat.

Sportjacke

Die Sportjacke unterscheidet sich genau hier vom Blazer eklatant: Sie ist für gewöhnlich aus einem schweren Herringbone, Houndstooth & Shepherd’s Check Tweed oder Flannel. Das Gewicht des Stoffes ist je nach Land unterschiedlich bzw. an das regionale Wetter angepasst. In Italien sind die Modelle natürlich leichter als die vergleichbaren Modelle aus nordeuropäischen Ländern, die leider mit mehr kalten Tagen zu kämpfen haben.

Bilal Taher von Monokel trägt eine italienisch anmutende Sportjacke

Anzugsjacke

Die Anzugsjacke und damit auch der Anzug ist aus den klassisch atmungsaktiven und leichteren Materialien Wolle, Kaschmir, Leinen, Seide oder (in Amerika im Sommer auch beliebt) Seersucker.

Farben

Blazer

Der Blazer ist in der klassischen Variante wie eingangs erwähnt navy, aber auch ein helleres Blau geht nach meinem Dafürhalten in Ordnung. Auch extremere Farben wie Flaschengrün, Brugundrot oder Regatta-Streifen sind möglich, aber den einreihigen zweiknöpfigen Jacken aufgrund des Club-Gedankens der Ruderer vorbehalten. Die Jacke ist außerdem abgesetzt mit anders farbigen Knöpfen. Für gewöhnlich sind diese aus Gold oder Silber und tragen entweder das Wappen der Marine oder des jeweiligen Ruderclubs. Heute sind auch weiße Knöpfe aus Perlmutt keine Seltenheit und sicherlich weniger tacky, wenn man sich nicht als Mitglied der Marine oder der elitären Clubs bezeichnen kann.

Ich trage in diesem Bild einen Navyblazer von Gieves & Hawkes in der 6-knöpfigen Variante mit silbernen Knöpfen
Ich trage in diesem Bild einen navyfarbenen Blazer von Gieves & Hawkes in der 6-knöpfigen Variante mit silbernen Knöpfen

Sportjacke

Die Sportjacken kommen in allen möglichen Farben und Mustern daher und sind extrem vom regionalen Wetter und der Umgebung abhängig wie schon bei den Materialien beschrieben. Wenn man allerdings eine sportkonforme Jacke haben möchte, sage ich, dass man sich für erdige, natürliche Farbtönen entscheiden sollte, damit die Wildschweine im Wald nicht meinen, dass ein Kanarienvogel auf sie schießt. Bei den Knöpfen würde ich Ihnen zu Hornknöpfen oder Modellen aus Steinnuss raten, die im Ton der Jacke oder dunkler sind. Auch hellere Knöpfe können einen interessanten Akzent setzen.

Anzugjacke

Der Anzug kommt natürlich heutzutage – vor allem wenn man nach Italien und der Pitti Uomo schaut – in allen Farben daher. Klassisch ist das allerdings nicht und daher nur etwas für mutige und Leute mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl. Wenn Sie ein Stück Zeitlosigkeit Ihr Eigen nennen möchten, empfehle ich Blau, Navy, Hellgrau und Dunkelgrau – kein Schwarz: das ist für den Smoking oder den Frack reserviert (!!). Die Knöpfe finde ich bei Anzügen immer am schönsten, wenn sie nährungsweise Ton in Ton zum Anzug gehalten werden. Als Material empfehle ich wieder Steinnuss oder Horn. Andersfarbige Knöpfe sind für meine Begriffe zu auffällig - und das braucht ein guter Anzug nicht.

Hier eine dreiknöpfiges navy Beispiel von der Savile Row No. 1: Gieves & Hawkes
Hier wird ein dreiknöpfiges Beispiel von Gieves & Hawkes Savile Row No. 1  bei SoulObjects in Berlin - Prenzlauer Berg präsentiert

Beliebte Varianten der drei Jacken

Generell sind die Klassiker immer die folgenden drei Varianten: Zweiknopf, Dreiknopf und doppelreihiger Sechsknopf. Für den Anzug ist man mit diesen drei Knopfweisen auch gut bedient – für mehr Details verweise ich an dieser Stelle an meinen Artikel Eins, Zwei oder Drei. Beim Blazer und bei der Sportjacke bieten sich nur zwei Varianten:

Blazer

Der Blazer wünscht sich die doppelreihige Variante, um mit der Marine und die zweiknöpfige um mit den Ruderclubs verknüpft zu werden. Eine dreiknöpfige Variante ist in Amerika immer mehr zu sehen, ist aber a) nicht klassisch und b) steht nur Männer ab einer Größe von 1,88, die zusehen müssen, Ihre Figur ein wenig zu verkürzen.

Sportjacke

Das Sportjacke möchte einreihig bleiben und es bietet sich deshalb nur die zweiknöpfige oder die dreiknöpfige Variante, wobei die dreiknöpfige auch gerne als 2 ½ Variante mit rollendem Revers daherkommen darf. Die letzte Option ist ein wenig unförmlicher als die zweiknöpfige, weil sie meist auch mit aufgesetzten Taschen verkauft wird.

Auch wenn die Sportjacke ihre Einreihigkeit liebt, gibt es immer wieder Herren die die Regeln bewusst brechen
Auch wenn die Sportjacke ihre Einreihigkeit liebt, gibt es immer wieder Herren, die die Regeln bewusst brechen

Kombinationsmöglichkeiten oder - beispiele

Beim Anzug stellt sich die Frage „Mit welcher Hose kombiniere ich ihn?“ nicht wirklich, da wie eingangs beschrieben nur die dafür vorgesehene Hose in Frage kommt. Bei den Schuhen kommen schwarze Oxfords oder dunkelbraune Derbies zum Zug - um die Förmlichkeit der Schuhe zu klären empfehle ich Schnürung macht den Unterschied. Sowohl beim Blazer als auch bei der Sportjacke hat man die Wahl. Der Blazer ist sicherlich förmlicher als das Sportsjacket und lädt deshalb ein, ihn mit einer hellgrauen Hose aus Flannel oder mit einer beigen Chino – wenn es etwas lockerer sein darf - zu kombinieren. Der Schuh passt sich hierbei an die Förmlichkeit der Hose an, um eine stimmige Oberfläche zu schaffen. Die Sportjacke, als unförmlichste Jacke der drei, eignet sich perfekt für die Kombination mit einer blauen Jeans. Mit einem Paar Derbies aus Wildleder wäre das Outfit gut abgerundet.

... oder man trägt die Sportjacke wie Alex Davaroukas: mit einer grauen Flannel-Hose und braunen Tasselloafern - natürlich sockenfrei

Zusatzinformationen

Erstens entstand das Sportsjacket aus dem Northfolk Jacket und diese wiederum aus den Morning Jackets. Die Morning Jackets wurden zusammen mit andersfarbigen Hosen morgens zur Jagd getragen und waren natürlich warm genug, um beim Schießen nicht zu frieren. Es entwickelte sich daraus die sogenannte Northfolk Jacket: Diese Jacke wurde aus sehr dickem Material gefertigt und hatte einen Gürtel um die Hüfte und Falten am Rücken zum Erweitern der Bewegungsfreiheit. Zweitens empfehle ich Ihnen wärmsten beim nächsten Anzug oder Jacke Monokel (Instagram; Facebook) auf Berlins Linienstraße. Bei dem Team Alex Davaroukas, Bilal Taher, Philip Wyss und Florian Parzival Luther paaren sich Wissen über die sartoriale Szene und sehr viel Stilgefühl zu einer diabolisch guten Mischung: es entsteht ein Anlaufpunkt für frischen und eleganten Stil mit höchster Qualität im Herzen von Berlin. Drittens habe ich mich persönlich für eine zweiknöpfige Variante einer Sportjacke aus schweren beigen Shepard’s Check mit rosa Akzenten entschieden... also wie erwähnt beim Sportsjacket sind Ihnen keine Grenzen gesetzt – ein Bild des Endprodukts von Monokel Berlin wird natürlich auf meinem Instagram-Account maximilian.mogg präsentiert. MM

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