Wenn ich fremden Leuten davon erzähle, Strafverteidiger werden zu wollen, kommt oft ein geistreicher Satz wie: "Hoffentlich sehen wir uns nie wieder!" Ich antworte inzwischen unterschiedlich darauf. Nehme ich den Wunsch des Nimmerwiedersehens ernst, beteuere ich, was für einen fehlerfreien Eindruck mein Gegenüber doch macht. Möchte ich mir ein Wiedersehen offen halten, verweise ich gerne auf die ein oder andere Statistik: Zum Beispiel, dass circa 25 Prozent aller Morde in der Familie geschehen. Und die haben nun einmal die Allermeisten, richtig? Also lieber doch eine Visitenkarte, mein Herr?
Viele müssen auch an die Tatsache erinnert werden, dass es gar nicht viel braucht, um in den Genuss zu kommen, mit mir eine Tasse Kaffee zu trinken. Man muss kein Superschurke sein. Oft reicht es schon, ein Schussel zu sein. Haben Sie an der Ampel noch nie etwas zu spät auf die Bremse gedrückt? Sind Sie noch nie an einem winterlichen Sonntagmorgen in den Federn geblieben und haben den Weg für die liebe Nachbarin vereist und ungestreut gelassen? Na bitte!
Nun kann ich Sie aber wieder beruhigen: Nach einem Besuch bei Herrn Mogg kommen Sie mit einem ganz spezifischen Verbrechen nicht mehr in Berührung. Ich spreche von einem großen Übel. Selbst die wagemutigsten Journalisten würden sich nicht an diese Spezies herantrauen. Dabei sieht man sie tagtäglich auf unseren Straßen: die Schlechtgekleideten.
Juristisch spricht man hier von fahrlässiger Körperverletzung – gemäß § 229 des Strafgesetzbuches mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe bewehrt. Das möchte ich kurz erklären: Offensichtlich bedarf es zur Strafe zuerst einmal eine Körperverletzung. Für Nichtjuristen – und damit für alle, die menschlich nachvollziehbar denken – ist es meist überraschend, dass darunter auch das Zufügen körperlichen Unwohlseins fällt. Das Hervorrufen eines Würgereizes fiele ganz sicher darunter. Der eine verspürt ihn vielleicht, wenn der Partner Nutella unter die Salami schmiert. Ich hingegen fühle mich beim Anblick "sportlicher" Anzugträger schnell unwohl: Denken Sie an Anzüge, die so eng sitzen, dass der Träger nur noch von der Feuerwehr befreit werden kann. Weil man ja so ein super lockerer Typ ist, ist das schneeweiße Hemd darunter etwas zu weit aufgeknöpft und an den Füßen cognacbraune Schuhe – zum marineblauen Anzug. Case closed!
Um diese und andere Übeltäter aus dem Verkehr zu ziehen, fehlt es dann nur noch am Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Was? Ich erkläre es kurz: Bei diesem juristischen Sprachkrampf geht es – vereinfacht gesagt – darum, sich nicht so aufzuführen als lebe man allein auf unserem schönen Planeten. Mein Punkt: Ist es zu viel verlangt, ein Zehntel der Zeit, die wir für stumpfe Tweets oder mittelmäßige Memes opfern, in den täglichen Auftritt im Büro zu investieren? Das ist doch eigentlich ganz einfach: Um das eigene Outfit aus dem strafrechtlichen Bereich zu befördern, reicht ein Besuch beim Schneider – ich kenne da zufällig jemanden. Auch das Lesen seiner bewährten Ratgeber kann Ihnen viel Ärger ersparen.
Zum Schluss noch ein letzter Rat: Sollten Sie sich doch einmal – aus den angeführten Gründen – auf der Anklagebank eines Berliner Gerichts wiederfinden, empfehle ich, einen Blick unter die Roben zu wagen. So müssten gegen die Amtsträger unverzüglich Strafanzeigen eingereicht werden und Ihr Prozess würde ein schnelles Ende finden. JoLo/YS/KP