Mr Lush S4E2 - Eure Alten werden Träume haben

Mr Lush S4E2 - Eure Alten werden Träume haben

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Gelandet und ausgestiegen in etwas, was aussieht wie ein übergroßer McDonald’s, wurde Mr Lush erst wirklich bewusst, dass es wahrscheinlich nicht genug Alkohol in der Welt gäbe, um diesen ästhetischen Schmerz auf ein erträgliches Maß abzudämpfen.  Auch dass die Zeugen Rimowas nach dem akustischen Signal, dass die Anschnallpflicht nun aufgelöst sei, weil das Flugzeug seine finale Parkposition erreicht hätte, aufsprangen wie dressierte Schäferhunde, trug nicht unbedingt zu einer Erheiterung seines Gefühlszustands bei.  Als der Steward, der Mr Lush auf dem Flug mit 2 Gin & Tonic auf‘s Haus beglückt hatte, entwickelte sich ein reißerischer Strom der Karriere-Karpfen, der alle Mitinsassen in höchster Geschwindigkeit nach draußen beförderte – ob sie wollten oder nicht.  Mr Lush hatte deswegen auch nur kurz Zeit dem Steward für seinen Service zu danken – für mehr als ein „Danke.“ blieb keine Zeit; da war er schon rausbefördert.  Alle waren sie schon wieder wild dabei, wichtige Funksprüche an ihre jeweiligen Büros weiterzugeben, und die Karawane bewegte sich mit der Geschwindigkeit eines D-Zugs entschlossen zum Grenzschutz.  Mr Lush ärgerte sich zwar immer noch über die Anstrengung, die er aufbringen musste, weil ihm eine Rolle fehlte, allerdings gefiel es ihm auch, Kratzer in dieser architektonischen Gräueltat zu hinterlassen.  Dass er fast eine Stunde am Grenzschutz warten musste, bevor sein Pass geprüft wurde, war wahrscheinlich die direkte Retour-Kutsche des Flughafens BER.  Als Mr Lush sich einen Gepäckwagen geschnappt und seine beiden kaputten Koffer draufgeladen hatte, ging es durch die automatischen Schiebetüren in Richtung Freiheit.  Natürlich erkannte er den Otter Peter sofort – und es war nicht sein auffälliger herzförmiger Lieblingsstein; nein, es war seine Begleitung.  Kiki und Kuku standen neben dem kleinen Otter Peter mit Chauffeursmütze.  Sie waren ein bisschen älter geworden, als er sie das letzte Mal getroffen hatte; wann sind Zibraffen eigentlich offiziell Teenager(?).  Oder waren sie sogar schon in Zibraffenjahren volljährig?  Auf jeden Fall wunderte sich Lush über die beiden ledernen Halsbänder, die hart nachgezogenen Augenbrauen, und den dunklen Lippenstift, den die beiden trugen.  Kiki und Kuku hielten, Kaugummi kauend, jeweils ein Pappschild mit der Aufschrift „Thomas Lush“ hoch; ob die beiden erfreut, gelangweilt oder genervt waren, dass sie Lush nach so einiger Zeit wiedersehen konnten, war schwer zu deuten.  „Dementsprechend sind die beiden wahrscheinlich gerade 18 geworden!“, dachte sich Lush, als er wenige Meter von der Gruppe entfernt langsam den Gepäckwagen begann abzubremsen.  Von den Zibraffen gab’s ein kurzes Küsschen links, Küsschen rechts mit einer halbherzigen, wahrscheinlich „cool“ gemeinten Umarmung; den Otter Peter, der verlegen seine herzförmigen Stein in seinen Bauchbeutel steckte, grüßte Lush per Hände-Pfoten-Druck. „Freut mich sehr, Dich kennenzulernen – ich habe schon viel von Dir gehört.“, sagt der kleine Otter lächelnd und zwinkert den Zibraffen danach zu.  „Jut… dann lasst mich Euch jetzt mal zum Hotel fahren.“

 

Der kleine Peter mit dem Herz-Stein fuhr – entgegen Lushs allgemeiner Erwartung - einen großen Pick-Up-Truck von Mojota; ja, so einen richtigen Terroristen-Truck.  Dafür aber mit Dachluke, so dass Kiki und Kuku nicht auf der Ladefläche Platz nehmen mussten.  Lush unternahm ein paar Versuche, das Gespräch mit Kiki und Kuku aufzubauen, wie z. B. „Wie läuft das Reisejahr?“, „Habt ihr schon wen in Eurem Alter kennengelernt?“ oder „Wie gefällt Euch Berlin? Wusste gar nicht, dass ihr auch hier Station macht.“  Alle wurden kaugummi-kauend mit einsilbigen Antworten wie „Gut.“ oder „Joa.“ oder Schulterzucken beantwortet.  Bevor es allen allzu unangenehm wurde, drehte Mr Lush das Radio auf.  Es lief ein Künstler namens Dagobert mit „Ich will ‚ne Frau die mich will“ – Mr Lush war jetzt schon sehr stolz auf sich, dass er den Radiomoderator verstanden hatte und mit seinem WIRKLICH elementaren Deutsch aus Eton noch punkten kann. 

 

Das erinnert ihn daran, wie sein damaliger Deutschlehrer Mr Klaus Kräutersaibling Kollektivstrafen bei Tafelprüfungen für pädagogisch wertvoll befand.  So durfte damals die gesamte Klasse Extrahausaufgaben machen, wenn der Prüfling keine Glanzleistung ablieferte; ganz zu schweigen, wenn der Prüfling miserabel war.  Lush erinnert sich lebhaft, wie er – der schon Probleme damit hatte, sich einfach nur auf Deutsch vorzustellen –kurz vor den Sommerferien an die Tafel gerufen wurde, und allen Mitschülern Extralektürepflicht über die Ferien einbrockte.  Die Klingel dieses Unterrichtsende summt Lush bis heute in den Ohren.

 

Während Mr Lush leichten Angstschweiß vorm Deklinieren, Konjugieren und vor der Kommasetzung entwickelte und Kiki und Kuku kichernd über ihren Handys hingen, wild tippten und sich gegenseitig Texte zeigten, wurde der Verkehr langsam dichter und die Ampeln regelmäßiger.  Irgendwann wurde an einem Hotel Halt gemacht und der kleine Peter klopfte mit seinem herzförmigen Stein auf die Armatur und sagte: „Angekommen.“  Lush staunte nicht schlecht, als er zu seiner Rechten ein Hotel mit bürgersteiglangem rotem Teppich und kugelrunden Leuchten - wie aus Zeiten des deutschen Art Deco - erblickte.  Ein kleiner Lemur öffnete ihm die Tür und half beim Ausladen.

Lush stieg aus, richtete kurz seine Krawatte, drehte sich beim Sakkorichten nochmal um und sah, wie ihm Peter, Kiki und Kuku nett zuwinkten.  „Wir sehen uns später!“, riefen sie ihm zu und fuhren im gemächlichen Tempo rechtsblinkend zur nächsten roten Ampel.  „Ihr Gepäck darf gleich auf’s Zimmer?“, fragt der Lemur.  „Ja, bitte gleich auf’s Zimmer!“, antwortete Mr Lush; immer noch ein wenig über die ulkige Gesamtsituation am Grübeln.  Bei der Rezeption angekommen und sich kurz mit Namen und Pass vorgestellt, heißt die Antilope im schwarzen Lederkleid ihren Gast willkommen: „Willkommen im Connaisseur! Ihr Zimmer ist auf Etage 2. Erwarten Sie weitere Gäste?“  Lush musste jetzt cool und lässig wirken. „Naja, man weiß ja nie,  was die Nacht bringt. Hah.“ – „Hah.“ Audible Eyeroll. Der Rezeptionist mochte ihren Job und Menschen generell wahrscheinlich SEHR gerne.  „Dieser Umschlag wurde für Sie von einem Ozelot hinterlegt. Außerdem wurde mir gesagt, Sie sollen sich benehmen. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt.“  Auf dem Weg in den goldenen, übergroßen Vogelkäfig, der als Lift diente, kamen Lush Fragen auf: Ist das rotsamtige, chromblitzende, dunkelgeflieste Interieurr mitsamt des ganzen Leder-Karnevals drumherum hier Karneval oder ernst gemeint?  Ist das hier fetisch? Warum ist er in diesem Hotel untergekommen? Ist das überhaupt ein Hotel? Oder ein Bordell? Gibt es hier gute Drinks? Warum kennt der Ozelot wieder dieses Hotel? Warum soll Lush sich benehmen? … oh ja – da war was; Paris.  Lush steht vor seiner rotplüschigen Hotelzimmertür, hält seine Schlüsselkarte an und drückt sie nach dem Schlossklicken auf.  Er machte das Licht an und sah ein herzförmiges Bett mit schwarzem Satinbezug und verspiegelter Decke; er seufzte, ging zum Bad und ließ sich warmes Wasser ein.  Er hatte sich damit abgefunden, dass er wahrscheinlich allerlei unerklärliche „Werkzeuge“ in den Schubladen dieses Zimmers sehen und finden würde, der Bestimmung er nicht kennen würde.  Er setzte sich kurz auf’s Bett und öffnete den Umschlag des Ozelots.

 

Treffpunkt: Restaurant Ostrich

Uhrzeit: 20.30 Uhr

Dresscode: DU solltest Black Tie tragen; alle anderen um Dich herum werden es wahrscheinlich nicht tun.

 

Die Badewanne war schon halbvoll und angenehm warm. Mr Lush fügte einen Schuss Verbena-Badeöl hinzu und stellte sich Musik an. Symphonie Nr. 7 von Beethoven bat er das Musiksystem im Bad zu spielen: Die perfekte Tonfolge, auch wenn es einfache Töne sind; es scheint, als hätte Beethoven - so wie es einer von Lushs stilistischer Vorbilder, Leonard Bernstein, einmal sagte – einfach einen direkten Draht zum Himmel gehabt, als er diese Noten schrieb.  Lush denkt an seine Gespräche mit Gott, dem Baseballschläger, und träumt von einem direkten Draht zu ihm.  Er beginnt seine Abend-Ausgang-Vorbereitungsroutine.MM

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