Die Invasion der Blue Jeans war für viele Engländer gefühlt schlimmer als The Blitz – darunter auch Lush. Zu sehr klafften, auch Jahre nach der Niederlage, die Wunden der modebewussten Briten und ihrer Weber auseinander – die Häuser dagegen waren schnell wieder aufgebaut und der Gegner in die Knie gezwungen; ein großer Dank an Churchhill an dieser Stelle.
Nach knapp 70 Jahren ist es jedoch an der Zeit, diese alte Fehde beizulegen und diplomatisches Geschick zu beweisen: Mr Lush ist dazu bereit – natürlich nur in Absprache mit seinem Anwaltsfreund JoLo –, seinen geliebten Kord- und Flannelhosen einen Vergleich anzubieten, denn er musste gestehen: Eine Affäre mit dem Tuch aus Nîmes stünde nicht nur ihm, sondern auch seiner geliebten maronenfarbenen Puppytooth-Kaschmirjacke seines Großonkels Andrew gut.
So suchte er seinen alte Buckelschneider auf und flüsterte mit vorgehaltener Hand, ob es ihm möglich wäre, Mr Lush eine Variante des amerikanischen Klassikers zu schneiden. Natürlich war es klar, dass der alte Buckelschneider zunächst einmal in das Hinterzimmer ging, um sich mit seinen Kollegen herzlich kaputtzulachen. „Snobs!“, dachte sich der leicht eingeschnappte Lush und bewegte sich schon zur Tür.
Das letzte Mal, als er sich so bloßgestellt fühlte, hatte er die Frage seines Geschichtslehrers in Eton, ob der ehemalige Premierminister Sir Anthony Eden irgendwelche Qualitäten gehabt hätte, mit „Ja!“ beantwortet – der Klassenraum nutzte die Gelegenheit, um in tobendes Gelächter auszubrechen.
Kurz bevor Lush bewusst theatralisch die Tür zuschlagen konnte, stoppte sein Schneider die Tür mit seinem klobigen Fuß. „Selbstverständlich, der Herr! Darf es italienisches oder japanisches Denim sein?“ Lush fasste sich schnell, denn die Antwort war für ihn natürlich sonnenklar – hatte er sich doch im Vorhinein schon mit dem Ozelot Zugang zum verbotenen Flügel der London Library verschafft und seine Hausaufgaben gemacht. „Italienisches Denim, bitte!“, schoss es aus ihm heraus. Das lag nicht nur daran, dass er nie so wirklich über Ben Affleck in Pearl Harbour hinweggekommen war, sondern auch daran, dass sein Hausmops Alfred meinte, dass er in italienisches Denim einfacher eine Bügelfalte reinbügeln könne. Womit wir an des Pudels Kern wären – Pointe vom Autor beabsichtigt: Mr Lush war, nach dem Lesen der Literatur, zum Entschluss gekommen, dass das meist weichere italienische Denim dem japanischen Denim deshalb überlegen sei, weil es besser mit Tailoring funktioniere. Es ist vielmehr eine Stilfrage als eine Frage der Qualität, weil italienisches Denim keinen Deut schlechter ist als japanisches – es wird nur anders gewoben und bearbeitet; aber irgendwie klingt für die meisten Menschen anscheinend alles besser, wenn japanisch vor dem Artikel steht: japanisches Denim, japanisches Plastik, japanischer Radiergummi… et cetera perge perge. Der Vorteil, dass das japanische Denim vielleicht mehr Patina als der italienische Kollege entwickelt, tangiert Lush aufgrund seiner eigenen eher peripher. Für ihn ist japanisches Denim einfach zu rustikal, zu schwer und außerdem nennt er keinen schweren Stiefel sein Eigen und sieht sich schlichtweg – in seinen kühnen Träumen – eher als Alain Delon als als James Dean oder Marlon Brando.
Nach Lushs langem Monolog über die Vorzüge des italienischen Denims atmete der Schneider tief ein, seufzte und meinte nur: „Very well, Sir!“ Noch während der Schneider kopfschüttelnd und leise fluchend zurück in sein Hinterzimmer ging, ereilte Lush das leichte Gefühl, dass er wohl niemals dessen Lieblingskunde werden würde. MM