Herr Lush schaut in den Spiegel und sieht ein weißes Etwas. Es erinnert ihn an die Käseauslage von Mord & Maison - nur ist er sich nicht sicher, ob es die Farbe eines Stiltons oder eines walisischen Cheddars wäre. Da momentan Urlaubszeit in London ist und man sich heute Abend im Reform Club - die Mitgliedschaft ist ein Vorzug seiner Zeit aus Eton, aber eine lange Geschichte - trifft, um braungebrannt von den eigenen Reisen zu berichten, bleibt Herrn Lush wohl nichts anderes übrig, als das lokale Sonnenstudio aufzusuchen und sich derweil einen Urlaubsort auszudenken. Ihn überkommt bei der Idee ein Gefühl der Schande: Früher hatte er sich wenigstens noch bei einem Freund im Ferienhaus auf Sussex einquartieren können, um den Schein zu wahren, aber dieser ist mittlerweile taub und stumm - vielleicht auch nur in Korrespondenz mit ihm.
So kleidet er sich auffällig unaufällig alla altes Geld bei Privatbank Kouttz gelandet - damit fällt man in London nicht auf - und spaziert mit Ozelot Olivier, der stets 200m hinter ihm bleiben soll, zum Sonnenstudio. Auf die Garderobe und Ansage reagiert Olivier mit einem suffisanten Lächeln und flüstert:
All the world's a stage,
And all the men and women merely players.
... aber mein Gott, was bist Du nur für ein bemitleidenswertes Wesen. Immer auf der Bühne - auch wenn Du es nicht willst oder sogar nicht bist... weil für Bühne brauchst Du auch Zuschauer, im besten Fall Applaus.
Sichtlich getroffen antwortet Herr Lush: Reden wir nicht weiter drüber und gehen wir.
Nach dem kurzen, nachdenklichen Weg zur Sonnenbank - Herr Lush ist sich mittlerweile sicher, dass er die Philippinen, wahrscheinlich Mindoro, wählen müsse... dort war dieses Jahr keiner vom Club - begrüßt ihn eine Mitarbeiterin mit Kabine Elf, bitte. Mehr als 10 Minuten können wir Ihrer Haut nicht antun.
Muss ich eigentlich alles ausziehen?, fragt Herr Lush, der gerade dem Ozelot noch die Tür aufhält und ihn bittet, auf dem Stuhl neben der Kabine Platz zu nehmen.
Ja, zeigen Sie Größe und ziehen Ihre Hose aus, antwortet das überknusprige Ding mit Augenzwinkern.
Wie Ihre Majestät es sich wünscht, entgegnet er überaus trocken, obwohl er beim Öffnen seiner Sockenhalter schon ein wenig in sich hineinlachen muss. Auf der Sonnenbank ausgeräkelt, legt er die ulkige Sonnenbrille auf - das hatte er im Film American Psycho im Fernsehspätprogramm mit Olivier gesehen -, stellt den Gesichtsbräuner auf maximale Stufe und den Klassikkanal auf mittlere Lautstärke. Es läuft Philip Glass' Metamorphosis Eins, gespielt von einem zurückgebliebenen Affen auf Retalin, wie es scheint. Dennoch schläft er ein und träumt von einem Zigarettenabonnement und der Dame im Rotlichtviertel. Das einzige, was im Traum stört, ist das heftige Trommeln einer Pauke, das immer stärker wird, bis es komplett verstummt. Auf einmal rüttelt es an seiner Schulter und das Knusperhähnchen blickt ihm in seine wirren, von der kleinen Sonnenbrille bedeckten Augen:
Sie sind schon 25 Minuten auf der Bank und diese schaltet nicht automatisch ab. Ich habe wie irre geklopft und musste die Tür aufsperren. Der nächste Kunde ist dran!
Herr Lush hält sich entsetzt die Hände vor den Schritt und springt auf. Er schreit: Ich bin in einer Minute fertig! Bitte Türe zu. Er hat schon im Augenwinkel den nächsten Sonnenbanker gesehen: der Vorsitzende des Reform Clubs. Was der wohl denkt! Mr Lush blickt kurz in den Spiegel: Ein riesiger Sonnenbrand ist im Gesicht und über den ganzen Körper verteilt; dazu noch der sowieso der hochrote Kopf. Er springt in den Anzug, grüßt den Vorsitzenden mit kurzem Kopfnicken und einem kurzem Guten Tag, greift den Ozelot, der sich vor Schadenfreude kaum noch einkriegt, legt das Geld auf den Tresen und verlässt in schnellen, kleinen Schritten den Salon.
Olivier meint: Wollen wir noch zu Mord & Maison, vielleicht haben die auch Babybel. MM