Silver Screen Revisited – John Robie (Über den Dächern von Nizza, 1955)

Silver Screen Revisited – John Robie (Über den Dächern von Nizza, 1955)

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Alfred Hitchcocks 1955 erschienener Film Über den Dächern von Nizza verursacht Sehnsucht nach einem Urlaub an der französischen Riviera. Doch der Film lohnt nicht nur für solche Träumereien, er zeigt auch eine Garderobe, die in solch nonchalanter Eleganz nur noch selten zur Schau getragen wird. 

Cary Grant, in der Hauptrolle als John Robie, einem ehemaligen Juwelendieb, wird verdächtigt, betuchten Damen des Nachts ihren Schmuck zu stehlen. Da er sich keiner Schuld bewusst ist, die Polizei ihm aber keinen Glauben schenken möchte, macht er sich selbst auf die Suche nach den Übeltätern. Doch das nur am Rande – sofern Sie den Film nicht sowieso kennen, möchte ich nicht zu viel des Inhalts verraten. 

Viel interessanter als der recht einschläfernde Plot (es fällt schwer, zu glauben, dass dieser Film von Hitchcock ist) ist die hervorragende Kleidung. Drei von Robies Outfits stechen ganz besonders hervor: Zu Beginn des Films trägt er eine sehr hoch sitzende, mittelgraue Hose mit doppelten Bundfalten, einen quer gestreiften, blau-grauen Pullover, der recht schmal und kurz geschnitten ist und somit perfekt über dem Hosenbund liegt. Dazu ein rotes Halstuch mit großen weißen Polka-Dots, hellbraune Mokassins, beige Socken und die perfekt pomadisierte Frisur. 

Robie entkommt in diesem Outfit sogleich dem halben Polizeikommisariat Nizzas, das auf der Suche nach ihm ist, um Informationen über die Diebstähle zu erhalten. Die Kommisare stehen bereits in seinem Wohnzimmer, um ihn mitzunehmen, da bittet Robie um ein wenig Geduld: Er müsse sich zunächst etwas angemessenes anziehen. Die Kommissare willigen ein und Robie nutzt die gewonnene Zeit. Der Wunsch nach einem formelleren Outfit war natürlich nur ein Vorwand – er verbarrikadiert das Schlafzimmer und entkommt durchs Fenster. Dass der Film ihn immer wieder mit einem schwarzen Kater vergleicht, leuchtet ein. 

Nach einem kurzen Zwischenfall auf dem Marktplatz – unser Protagonist liegt zwischenzeitlich in einem ganzen Haufen Schnittblumen – scheint es zunächst, als hätte er das Outfit gewechselt. Bei näherer Betrachtung wird klar: Er hat lediglich den verschmutzten Pullover auf links gedreht und das Halstuch getauscht. So entsteht jedoch ein ganz anderer Look. Der Pulli wirkt jetzt blass-grau, in manchen Momenten sogar ein wenig türkis. Vielleicht liegt das aber auch nur am strahlend-blauen Himmel. 

Übrigens: Als Robie von einem alten Bekannten gefragt wird, weshalb er zum Juwelendieb wurde – und diese Passage entzieht sich in der deutschen Fassung leider ihrer Brillanz – entgegnet er: „To live better. To own things I couldn‘t afford. To acquire this good taste which you now enjoy and which I should be very reluctant to give up. [...] And for what it‘s worth, I didn‘t steal from people who would go hungry.“ Ganz der Robin Hood. 

Der eben erwähnte 'Gute Geschmack' zeigt sich auch in seinem nächsten Outfit: Abendgarderobe – ein schwarzes dinner jacket mit Schalkragen, einem einzigen Schließknopf, diamantenbesetzte Studs (da sind sie, die alten Laster!) und auf Hochglanz polierte Oxfords. Eleganz in Reinform – nicht der Rede wert.

Das dritte Outfit ist meines Erachtens am spannendsten. Nach einer kurzen Erfrischung im Meer wechselt Robie von der Badehose in eine wunderbare Kombination. Er trägt einen mittelgrauen Blazer mit goldenen Knöpfen in einer 3-roll-2-Anordnung, eine hellbeige Hose, ein recht weit geschnittenes weißes Hemd und ein mitternachtsblaues Halstuch mit kleinen weißen Polka-Dots. Dazu cognacfarbene, leicht rötliche Loafer mit Quasten. Dieser Look kommt jedoch erst zur vollen Entfaltung als Robie zu seiner neuesten Errungenschaft, Frances, gespielt von Grace Kelly, in ihren Sunbeam Alpine Roadster steigt. Sein Blazer reflektiert den türkisfarbenen Lack des Fahrzeugs und das sanfte beige der Sitze harmoniert ausgezeichnet mit seinen Loafern, die er während der wilden Fahrt durch die Serpentinen angespannt in den Fußraum drückt. 

Am Ende erfahren wir, wer wirklich für die Diebstähle verantwortlich ist. Eine Frage bleibt jedoch offen: Verleitet so viel guter Geschmack nicht vielleicht doch dazu, die Karriere im Büro an den Nagel zu hängen? YS/MM

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