S1E9 - Wiedersehen mit fiesen Fratzen

S1E9 - Wiedersehen mit fiesen Fratzen

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Herr Lush schlägt seine Augen auf und erblickt den Stuck seiner Suite des Catoys.  Ihn plagen tierische Kopfschmerzen und er fühlt sich fiebrig.  Er schlüpft in seine grünen, samtigen, ausgelatschten Hausslipper mit großem L in geschwungener, goldener Schrift und schleift sich zum Bad.  Das Spiegelbild ist ein Graus: Seine Augen sind glasig und die Haare verschwitzt und zerzaust.  Er beschließt - nach einem großen Schluck Bloody Mary mit Mescal, den er sich gestern Abend in weiser Voraussicht morgens aufs Zimmer vorbestellt hatte - bei einer ausgiebigen, heißen Dusche über die Vorkommnisse der letzten Nacht nachzudenken: Die Dame hatte es in sich!  Lange hatte er sich einem Flirt nicht mehr so hingegeben; anfänglich noch ein wenig eingerostet, ging es später immer besser und das blonde Wesen drehte ihren Körper mitsamt Barstuhl immer mehr in seine Richtung.  Die Gespräche waren von einer Mischung aus amüsanter, oberflächlicher Kurzweiligkeit und philosophischem Tiefgang geprägt.  Auch dass Ozelot Oliver nach ein paar Drinks von der Rubens-Hauskatze abgeholt wurde - der arme Samariter - , erleichterte das Gespräch ungemein.  Elisabeth - der Name der eleganten blonden Erscheinung - hatte glücklicherweise eine kleine Suite einen Stock über ihm, was den Heimweg nach dem dritten Akt auch mit schwer angetrunkenen Kopf erleichterte.

Frisch geduscht und mit kaschmirweichen Hotelhandtüchern abgetrocknet, schlüpft er in einen taubengrauen Zweireiher, bindet eine mild orangene Krawatte um den Hals und begibt sich über die marmorne Treppe zum Frühstücksraum.  Die Kopfschmerzen hatten mittlerweile nachgelassen und er hüpft leicht verknallt die Stüfchen hinunter - wäre er doch manchmal mehr der Playboy, der er in Eton gerne gewesen wäre, dann würde er nicht immer sofort der Gefühlsduselei verfallen.

Doch die gute Laune hat auch an diesem Samstag keine lange Halbwertszeit; kaum im Frühstücksraum zu Tisch gebeten, fallen ihm zwei alte Bekannten auf, die lauthals über einen Brief lachen und ihn in die Höhe strecken.  Der eine ist sein ehemalig guter Freund mit den Zigaretten, der andere ein gemeinsamer Bekannter aus Eton.  Mr Lush erkennt seine Schrift auf dem Papier und bestellt pochierte Eier mit Speck und ein Glas Cremant; er schämt sich.  Als das Gelächter vom Nachbartisch verstummt, dreht Mr Lush sich um: Die Herren hatten ihn bemerkt und winken ihn weltmännisch zu sich.  Er kommt dem Befehl nach und begibt sich mit Cremant an den Tisch.  Er begrüßt die Herren kurz mit schwitzigem Handschlag, schiebt sich einen Stuhl zurecht und lässt sich mit Blick zum Notausgang nieder.  Wie er sich bereits gedacht hatte, legen die Herren unverblümt los und quasseln mit einer perfiden Arroganz auf ihn ein, ob er das Ernst meine und auf welchen Drogentrip er diesen Mist denn geschrieben hätte - den Dealer würden sie gerne kennenlernen.  Er antwortet auf keine der Fragen und sinkt immer tiefer in den Stuhl.  Mr Lush war noch nie besonders gut in derlei Tiraden und zog es immer vor, wie eine Schildkröte seinen Kopf in den Panzer einzuziehen - ein immer wiederkehrender Vorwurf seiner Noch-Frau.  Was würde Olivier nun tun?, fragt er sich, während das Gelächter und das schlechtgemeinte Schulterklopfen auf ihn einprasseln.  Kurzerhand nimmt er einen großen finalen Schluck und sagt folgende Worte mit übergenauer Präzision: Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden! Ich erwarte einen Zuhälter, dem ich noch sehr viel Geld schulde.  Kaum den Satz beendet und die baffe Reaktion der beiden genießend, wirft er sich eine Zigarette in den Mund und schiebt seinen Stuhl zurück.  Er schreitet mit der Coolness und Lässigkeit eines amerikanischen Gangster, der ein Schlachtfeld hinterlässt, - in seinem Kopf spielt Little Green Bag von George Baker - Richtung Raucherséparée, wo ihm ein gestriegelter Oliver im doppelreihigen Navyblazer mit pinker Zigarette im Mundwinkel bereits freudestrahlend mit einem Glas Champagner zuprostet. MM

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Mr Lush

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