Die richtige Bescheidenheit

Die richtige Bescheidenheit

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Sprechen Sie so als wäre ich ein kleiner Junge oder ein Golden Retriever.
Glauben Sie mir – ich sitze nicht auf diesem Stuhl, weil ich so viel weiß.
- John Tudd (Jeremy Irons), Margin Call

Wie so manches erfrischende alkoholische Getränk wird auch die Selbsterniedrigung am besten kühl und in Maßen serviert. Jeder Mann, der sich und seinen Verstand absichtlich unter Wert verkauft, ist mit äußerster Vorsicht zu genießen. Wenige Charaktereigenschaften sind gefährlicher als die falsche Bescheidenheit. Wir sind alle mit ihm aufgewachsen: Der Junge in der dritten Klasse, der immer fest überzeugt war, seine Klassenarbeiten versaut zu haben, nur um sie dann – wie durch ein Wunder – mit einer glatten Eins ausgehändigt zu bekommen. (Sie hatten natürlich meistens eine Drei plus). Und später war es dann der Kollege, der sich immer beklagte, nie befördert zu werden und dann plötzlich diese begehrte Führungsposition erhielt. Seine erste Amtshandlung? Ihr Rauswurf!

Eine Balance zwischen Selbstüberzeugtheit und Demut zu finden, ist eine der großen charakterlichen Herausforderungen unserer Zeit. Ich persönlich ziehe den Gentleman, der seinen Harvard-Abschluss stolz auf dem Kaminsims zur Schau stellt, der Person vor, die ihn – in einem humorlosen Anfall von Ironie – in der Toilette aufhängt. Letzteres beweist, dass Understatement doch nur eine subtilere Form der Angeberei ist.

In der Modewelt ist das nicht anders. Wir sehen meistens dann am besten aus, wenn wir nicht mehr oder weniger darstellen wollen als wir sind. Dennoch verlassen nur sehr wenige Menschen ihr Haus, ohne darüber nachzudenken, was sie anziehen sollen. Selbst diejenigen, die ganz unbewusst eine Form von Nonchalance verströmen sind davor nicht geweiht. Eine Swatch-Uhr am Handgelenk eines Millionärs ist eine ebenso sorgfältig kuratierte Aussage wie die goldene Hermès-Gürtelschnalle Ihres Immobilienmaklers. Warum sollten wir das Letztere bedauern, aber das Erstere bewundern?

Warum sich gezwungen fühlen, ein maßgeschneidertes Hemd mit einem Monogramm zu versehen? Hatten Sie tatsächlich schonmal Zweifel daran, wer der rechtmäßige Eigentümer der Kleidungsstücke in Ihrem Schrank ist? Das letzte Mal, dass ich ein Monogramm trug war als ich mit acht Jahren in einer Unterhose, die meine Mutter sorgfältig bestickt hatte, ins Sommerlager der Pfadfinder ging.

Bei der Wahl Ihres Outfits sollten Sie sich nicht übermäßig anstrengen. Das kann schnell zu verwirrenden Ausschlägen in beide Richtungen – Über- und Untertreibung – führen. Zu sehr 'gewollte' Outfits erkannt man ohnehin meist recht schnell. Da gibt es zum Beispiel diese Art deutschen Gentleman, der dazu neigt, die Briten in ihrer Britishness übertreffen zu wollen. Ich denke hier in etwa an lila Cordsamt, der ordentlich über einem Paar Tricker's schwebt, und viel Tweed, das von sorgfältig verkommenem Barbour-Wachs umhüllt wird – ein Hilferuf in der Maske des Landadels!

Ganz im Gegenteil zu diesem Overstatement, gibt es viele Briten, die das übertriebene Understatement perfektioniert haben. Der ausgefranste Aristo-Boho-Look ist ein perfektes Beispiel dafür. Diese Herren tragen gerne Hemdkragen, die so fadenscheinig sind, dass sie auch vom Fluch der Karibik-Set kommen könnten. Es gibt ein altes Foto von Colin Firth mit zerzaustem Haar und einem Wollpullover, der so dermaßen von Motten zerfressen ist, dass man nicht weiß, ob die Löcher oder der Pullover überwiegen. Sie können sich vorstellen, in welcher Version ich Colin Firth bevorzuge: in einem prachtvollen Huntsman-Nadelstreifen und wohlpolierten Oxfords. Mit dem Alter scheint auch Firth die Erleuchtung gefunden zu haben. Die Bekanntschaft mit einem gewissen Tom Ford scheint hierbei ganz vorteilhaft. So können wir ihm sogar seine jugendlichen Stilsünden vergeben.

Kleidung und Accessoires eignen sich hervorragend, um den eigenen Charakter zu unterstreichen. Wenn man es mit der falschen Bescheidenheit jedoch übertreibt, sieht man schnell wie ein Möchtegern-Schauspieler in einem zerfetzen Pullover aus. Und das ganz ohne die Chance, für diese Performance zumindest noch einen Oscar zu bekommen. DD/YS/MM

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