Dead or alive? – Der Stresemann-Anzug

Dead or alive? – Der Stresemann-Anzug

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Und der Haifisch, der hat Zähne und die trägt er im Gesicht. Und Macheath der hat ein Messer, doch das Messer sieht man nicht.

Diese Zeilen aus der Dreigroschenoper haben es in sich. Genau wie der Anzug, um den es heute gehen soll.

Ähnlich wie bei der Dreigroschenoper hat man sich auch beim Stresemann-Anzug zunächst an einem englischen Klassiker bedient und anschließend auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten.

Er ist die elegante Liaison aus dem formellen Cut und dem dreiteiligen Tagesanzug. Erfunden – oder wenigstens bekannt – wurde er durch den Reichskanzler und Außenminister Gustav Stresemann (ein Vordenker der Europäischen Wirtschaftsunion zu Zeiten der Weimarer Republik). Man erzählt sich, Stresemann, sei es leid gewesen, seinen Tagesanzug mehrmals am Tag gegen den Cut zu tauschen und so kam er auf die findige Idee, seinen Schneider zu bitten, einen Anzug zu kreieren, der sowohl im parlamentarischen Alltag als auch zu formellen Anlässen am Tag tragbar ist.

Der Geniestreich bestand darin, die entweder schwarze oder anthrazitfarbene Sakko-Westen-Kombination eines Tagesanzugs, mit der gestreiften Cut-Hose zu kombinieren.

Wenn der Geschäftsmann oder Politiker also seine tägliche Arbeit am Schreibtisch verrichtete sah man nur den Oberkörper, der – so schien es jedenfalls – in einer Art Tagesanzug steckt. Falls er allerdings zu einer Veranstaltung geladen war – bei der man ja meistens zu stehen hatte – brillierte die Hose mit der Souveränität des Cut.

Jedoch schon Ende der 1940er war die ursprüngliche Idee hinfällig. Für den parlamentarischen Alltag war der Stresemann nicht mehr geeignet und er wurde nur noch zu besonderen Anlässen, anstelle des Cuts, getragen. Heute ist er gänzlich aus dem Straßenbild verschwunden.

Dabei könnten wir immer noch vom Stresemann-Anzug profitieren.

Denn der gut gekleidete Herr möchte auf einer Hochzeit nur ungern in einem normalen Tagesanzug auftreten. Ebenso wichtig, wenn auch etwas pikanter, da zu diesem Zeitpunkt eher unwichtig: Was trägt man auf einer Beerdigung?

Was also tun?

Nun, ich will Sie nicht länger auf die Folter spannen, zumal die Antwort schon in der Überschrift steht. Der Stresemann wäre die wohl extravaganteste, aber auch eleganteste Lösung. Auf einer Hochzeit wäre man ausgesprochen festlich gekleidet, ohne aber Gefahr zu laufen, dem Bräutigam die Show zu stehlen: denn der trägt ja Cut!

Sie mögen jetzt vielleicht erwidern, dass Sie höchstens zwei, dreimal an einer Hochzeit teilnehmen und der Aufwand beziehungsweise die Kosten dem nicht gerecht werden. Auch auf einer Beerdigung möchte man ungern als der Bunte Vogel auffallen, der im schlimmsten Fall den Eindruck vermittelt, Aufmerksamkeit erregen zu wollen.

Beide Argumente sind nicht falsch, jedoch ist das erste nur eine billige Ausrede, da uns die Schneider auf der anderen Seite des Kanals, freundlicherweise, mit patinierten Cut-Hosen en masse ausgestattet haben, und Sie so ohne großen Aufwand eine dieser gestreiften Hosen ergattern könnten. Für den Oberkörper könnten Sie auf einen der grundlegendsten Anzüge überhaupt - den charcoal-farbenen Anzug aus Flanell oder Schurwolle – zurückgreifen. Sie hätten somit einen Zwei-in-Eins-Anzug; wenn das bei Shampoo funktioniert, warum dann nicht bei Anzügen? Weiterhin ist es schon lange kein Geheimnis mehr, dass eine zweite Hose unabdingbar ist. Weshalb also nicht eine zweite Hose in gestreifter Form? Die Anlässe kommen ja bekanntlich mit der Kleidung.

Was den zweiten Punkt anbelangt, möchte ich mir nicht anmaßen zu entscheiden und würde diese Entscheidung gerne dem Träger überlassen.

Wie könnte der Stresemann getragen werden?

Vom Dreiteiler in Anthrazit war nun schon mehrfach die Rede. Ich persönlich würde dem dunklen Grau den Vorzug geben, da es weitaus vielseitiger und eleganter wirkt als schwarz. Ein weißes Hemd mit Prince-of-Wales-Kragen wäre klassisch, interessanter wäre jedoch auch ein weißes Hemd mit cappuccinofarbenen Streifen und abgesetztem Kragen und Manschetten. Als Schlips böte sich der ebenfalls beinahe in Vergessenheit geratene Klassiker in silber an. In dieser Kombination sind schwarze Oxfords eigentlich unumgänglich. Eine rote Nelke im Revers wäre eine schnieke Sache und würde das ganze Ensemble abrunden.

Der versierte Anzugträger könnte mit dem Gedanken spielen, anstelle des Dreiteilers die Jacke eines Doppelreihers zu wählen, das wäre zwar nicht mehr der klassische Stresemann, sondern würde eher unter dem Namen Stroller Suit laufen, aber eigentlich ist der ja auch ganz nett.

Resümee – Dead or Alive?

Tja, ich glaube, dies lässt sich schnell beantworten. Dead! Schade eigentlich. Aber vielleicht wird er ja eine Renaissance erleben, wenn Sie es wollen. TG

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