In der heutigen Episode von The Mad Tailor geht es um die korrekte Hosenlänge. Das Thema ist brandaktuell, da ja ganz Instagram von Hochwasser geplagt wird. Absicht des Artikels ist zunächst, Licht ins Dunkel zu bringen und auch meine subjektive Meinung als Anker dem Leser mitzugeben.
Man zeigt keine Unterwäsche
Eine Grundregel der klassischen Herrenmode ist: Man zeigt keine Unterwäsche. Dementsprechend lässt man abends das Sakko immer an, außer, der Gastgeber gibt es frei - das Hemd gilt nämlich als Unterwäsche. N. B.: Unter anderem deshalb sollte auch kein Hemd unter dem Schließknopf zu sehen sein und die Hose weit oben sitzen. Gleiche Logik gilt für die Hose und den Strumpf. Niemand möchte Ihren Strumpf sehen. Die hintere Linie der Hose sollte deshalb bis zur Hälfte des Absatzes in einer geraden Linie ohne Bruch reichen. Für Herrschaften, die bei einer Hose ohne Umschlag keine Falten auf dem Schuh haben möchten, empfehle ich, die Hose schräg anzuschneiden - die sogenannte Military Cuff. Bei einem Umschlag, den man bitte nur auf Hosen mit Bundfalten trägt - ausgenommen selbstverständlich Gesellschaftskleidung (Frack, Cut, Abendanzug), - gilt dieser Logik nach das gleiche. Somit heißt das, dass Hosen mit Umschlag nicht kürzer sein sollten, als die Modelle ohne Umschlag. Je enger das Hosenbein ist, desto eher muss von der Regel "bis zur Absatzhälfte" abgewichen werden, da ansonsten die hintere Hosenlinie nicht mehr gerade fällt.
Woher kommt Hochwasser beim Umschlag?
Dennoch ist es von der Historie und vom Praxisgedanken her nicht falsch, Hosen mit Umschlag kürzer tragen zu wollen. Umschlag kommt nämlich tatsächlich von "Hose umschlagen", um sie z. B. von wetterbedingtem Dreck am Boden zu schützen. Angefangen hat das mit Edward VII., der bei schlechtem Wetter seine Hosen nicht einfach hochkrempeln wollte, sondern seinem Schneider befahl, die Hose kürzer mit integriertem Umschlag zu schneidern. Eine Hose mit fünf Zentimetern Umschlag wird dementsprechend fünf Zentimeter kürzer getragen als die Hälfte des Absatzes, eine Hose mit vier Zentimetern vier Zentimeter kürzer und so weiter und so fort. Der Umschlag hat damit etwas Sportliches und passt deshalb optisch gut zu schwerem Flanell, Tweed etc. .
Optische "Vorteile"
Über die Vorteile einer "zu" kurzen Hose lässt sich streiten. Einige Herren sagen, dadurch würde ihr Bein länger aussehen. Kann ich von meinem persönlichen Dagegenhalten nicht bestätigen. Hohe Hosen und lange schmale Linien strecken Silhouetten; gekürzte Linien sehen für mich nach "rausgewachsen" aus. Meiner Meinung nach ist das Motiv eher "man möchte den Schuh zeigen", was ich wiederum als ein wenig affektiert und angeberisch empfinde.
Persönliche Meinung: Break als Zeichen des Luxus
Persönlich hat mir ein Freund in London erklärt, dass zu kurze Hosen mit Umschlag nur von den "armen" Leute getragen wurden, da sie an Material sparen wollten/mussten und bin deshalb vielleicht stark subjektiv. Außerdem verbinde ich mit diesem Stilmerkmal häufig zu schmal geschnittene Hosen und einen extremen Pitti-Uomo-Peacock Stil à la "ich möchte Strümpfe, Schuhe und Hose zeigen, damit jeder weiß, dass ich Stil habe". Da ich zusätzlich ob meiner Storchenbeine die Silhouette gerne mit weiten Hosen kaschiere - ist übrigens sehr bequem - würde ein zu kurzes Bein ganz komisch flattern. Für mich ist deshalb eine hohe Hose mit korrekter Länge bis zur Mitte des Absatzes und hohem Umschlag mit viel Break auf dem Schuh ein Zeichen des Understatements und Luxus. Das soll aber jeder handhaben, wie er mag.
Zusatzinformationen
Erstens, kurz vor dem Zweiten Weltkrieg waren Umschläge und Pattentaschen tatsächlich verboten, um an Material zu sparen. Zweitens, ein Umschlag hat den Vorteil, dass die Hose besser fällt, da die Hose unten schwerer ist und somit immer wieder in Form fällt. Einen ähnlichen Effekt kann man auch bei Hosen ohne Umschlag erreichen, indem man genug Reststoff im Hosenbein lässt. MM/JHS