Lieber Olivier,
vielen Dank für Deine vielen lieben Briefe. Du kennst mich ja schon ein wenig länger; dementsprechend wäre es geradezu lächerlich, um Entschuldigung zu bitten. Ich bin einfach zu faul, um in regelmäßigen Abständen zu schreiben. Da ich aber nun schon dabei bin, muss ich Dir von einem Museumsbesuch meiner Wenigkeit in Florenz erzählen.
Wie Du Dich vielleicht erinnern kannst, habe ich Dir im Green to Blue-Club erzählt, dass ich nach Florenz reise. Über einen befreundeten Pinguin, der bei British Axeways in der Lotterie zehn Erste-Klasse-Flüge gewonnen hat – selbst aber bedauerlicherweise unter Flugangst leidet – kam ich an einen Freiflug. An dieser Stelle sei erwähnt, dass ich seinem Sohn vor geraumer Zeit zu einem Platz in Eton verholfen habe – eine Hand wäscht die andere, Du kennst das ja!
Nun, auf jeden Fall, genoss ich den fantastischen Flug mit ein paar Austern und einer Flasche Mollinger, die ich mit meiner Nachbarin, einer wunderschönen blauen Füchsin, teilte. Wir verstanden uns sehr gut – ich erzählte ihr viele Bargeschichten aus dem "Flamingo". Wenn sie wieder in London ist, möchte sie unbedingt mitkommen. Nach der Landung in Florenz habe ich Flavio gleich eine SMS geschickt: "Falls eine blaue Füchsin nach mir fragt, gleich mit einem Glas Champagner versorgen, in meine Adlernest-Ecke setzen und mir Bescheid geben. Bin 15 Minuten nach ihrer Ankunft da."
Jedenfalls verstanden wir uns so gut, dass wir uns zusammen ein Taxi in Richtung Stadtzentrum teilten und uns zum Abendessen in einem der schönsten Restaurants direkt am Arno verabredeten. Ich gebe zu, ich habe so getan, als hätte ich Geld. Long story short: Nach einem exzellenten 7-Gänge Menü mit Weinbegleitung zückte ich meine erste Kreditkarte, dann – wenig später – die zweite... die dritte... die vierte.
Ich, der es gewohnt ist, in solchen Situationen cool zu spielen, erklärte dem Kellner immer wieder, dass das wahrscheinlich daran liegt, dass englische Kreditkarten auf dem europäischen Festland nicht funktionieren. Als er erwiderte, dass er heute schon mindestens zehn Kunden aus England hatte, deren Kreditkarte einwandfrei funktionierten, ärgerte ich mich, ihm ein so großzügiges Trinkgeld versprochen zu haben. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als ihm zu sagen, dass es mir schrecklich leid tue; ich würde ihm kurz mein Dinner-Jacket und mein Handy als Pfand da lassen und Bargeld holen. Ob das für ihn in Ordnung wäre? Er nickte unter der Bedingung, dass die blaue Füchsin vor Ort bleibt. Das machte das Ganze nicht weniger unangenehm, vor allem, weil sie inzwischen zum 20. Mal anbot, dass sie gerne zahlen könne. Ich – eitel wie ich bin – lehnte ab.
Doch ich hatte schon eine Idee: In den Uffizien gibt es Nachtführungen. Ich würde mich einfach als englischsprachiger Touristenführer ausgeben, das benötigte Geld von den trotteligen Touristen einkassieren, kurz die Führung schmeißen und mich dann abmachen. So schwer kann das schon nicht sein.
Tatsächlich funktionierte die Einstielung des Plans problemlos, weil mir die Leute eindeutig zutrauten, dass ich ein alter englischer Kunsthistoriker mit Wohnsitz in Florenz sei. Ich kassierte das Bargeld ein und hatte geschwind eine Gruppe von 30 Leuten zusammen, die ich voller Selbstbewusstsein und schon gut angetrunken in die Uffizien führte. Das Problem, das sich mir beim Erklimmen der Treppen immer mehr offenbarte, war nur, dass ich gar keine Ahnung von Kunsthistorie habe. Mir blieb nichts anderes übrig, als die Bildbeschreibungen zu improvisieren. Meine Kommentare wurden von einem der Touristen aufgezeichnet – sieh' selbst:
Irgendwann entschwand ich über das Toilettenfenster in Richtung Freiheit. Das Restaurant hatte noch offen, ich zahlte meinen Betrag, der Kellner war überrascht – die blaue Füchsin war seiner Geiselhaft bereits entkommen. Sie hatte etwas auf die Serviette gekritzelt:
Wie war Deine Woche, Olivier?