Als ich mich mit dem Eigentümer einer alterwürdigen Savile Row-Schneiderei – räusper Henry Poole räusper ... „I was only saying to the Queen the other day how I hate name dropping." - Douglas Fairbanks, Jr. – über Kleidung unterhielt, nannte mir dieser die rule of seven. Was das denn sei, fragte ich. Die Schneiderei empfehle ihren Kunden, bevor sie beginnen zu experimentieren, eine funktionierende, einfache Garderobe mit sieben Anzügen aufzubauen.
Konstante Investments in die Garderobe
Natürlich ist es keine Offenbarung, dass ein Mann wie Mr Simon Cundey, der seit Jahrzehnten die Crème de la Crème Londons einkleidet, versteht, wovon er redet. Jedenfalls ist der konservative Engländer mit dieser effektiven Herangehensweise für den Aufbau einer nützlichen, eleganten und zeitlosen Garderobe immer vortrefflich angezogen und gut bei Henry Poole aufgehoben. Die Frage ist, ob diese Herangehensweise allgemein gültig ist. Kurze Antwort: Jain, mit persönlicher Tendenz zum Ja!
Auch ich empfehle meiner Kundschaft nach einer kurzen Bestandsaufnahme der bereits existierenden Garderobe und Analyse der Lebensumstände einen Schrittchen-für-Schrittchen-Aufbau. Das Ziel ist, sich durch konstante Investitionen eine persönliche, funktionierende, hochqualitative Garderobe für jeden Wochentag aufzubauen. Dementsprechend sind sieben Hemden, sieben Anzüge und sieben Paar Schuhe tatsächlich eine Traumvorstellung für einen jeden, der Tag ein, Tag aus persönlich und elegant - gleichzeitig mit nicht zu großem Aufwand - gekleidet seinen Mitmenschen begegnen will und seine Kleidung nicht unnötig krass belasten möchte.
So schätze ich persönlich zum Beispiel – vielleicht entgegen der allgemeinen Vermutung – morgens die „ästhetische Effizienz“. Will heißen, ich mache mir beim Zusammensetzen und beim Erstellen meiner Garderobe außerordentlich viel Gedanken über Schnitt, Farbe, Material, Grad der Formalität, Assoziationen und so weiter und so fort ... wenn’s aber dann da hängt, stell ich mich nicht mit drei Hemden vor den Spiegel und nöle in die Runde „Waaaaas sooooll ich anziiiehen?“ ... Jedes Hemd, jeder Anzug und jeder Schuh hat einen für mich klar definierten Grad der Formalität und damit ein potentielles Einsatzgebiet. Mit anderen Worten: Ich gucke morgens kurz auf meinen Terminkalender und aus meinem Fenster ... und dann weiß ich, was ich anziehen muss. Alles andere empfinde ich als geckenhaft und stereotypisch weiblich.
Im Prinzip empfehle ich, eine Kleiderschranksbestandaufnahme, gefolgt von eigener Recherche nach dem eigenen Geschmack und ein längeres Gespräch mit einem Herrenschneider Ihres Vertrauens.
Das gegensätzliche Modell alias Gelegenheits- und Spontankauf
Aber jetzt machen Spontanität und Gelegenheitennutzen doch auch richtig Spaß! ... und sind wir nicht alle Jäger? Zweifelsohne! Daran möchte Sie auch keiner hindern. Vor allem bei Accessoires wie Krawatten, Strümpfen, Hosenträgern, Gürteln, Manschettenknöpfe, Feuerzeugen, dezentem Schmuck und Allerlei können Gelegenheitsschnäppchen einem einen richtigen Kick geben. Bei Großinvestitionen, unter die gute Anzüge, Mäntel und Schuh nun mal fallen, ist der Spontankauf ohne große Vorüberlegung meiner einfältigen Meinung nach aber eher töricht. Die Gefahr unnötig Geld verschwendet zu haben und Platz im Kleiderschrank zu verschwenden, ist unnötig hoch. Aber wie sagte schon Austin Powers: Danger is my middle name, baby!
Denjenigen, bei denen gerade die kleinen Rädchen im Köpfchen rattern und die damit schon voll bei der Analyse Ihrer Garderobe sind, sei zugerufen, so lange wir noch in Neukölln sind – ab August geht’s ja nach Charlottenburg –, geben wir beim Kauf eines zweiteiligen Anzugs ein Maßhemd im Wert von 200€ hinzu.
Zusatzinformationen
Erstens, besonders schön finde ich zu späteren Stunde – sprich abends – die Krawatte vom Tage gegen eine passend dunklere zu tauschen. Zweitens, à la „im übrigen muss Karthago zerstört werden“: Kleidung ist und bleibt Kleidung. Ihr darf nicht zu viel Wert beigemessen werden. Man kann sie als Kommunikationswerkzeuge des Gentlemans verstehen – wenn es so etwas überhaupt noch gibt. Er kommuniziert sein Wesen und Respekt dem Gegenüber. Man wird aber auch kein Klempner dadurch, dass man sich einen Werkzeugkasten kauft. Der Kern muss stimmen. Drittens, diesen Text darf man nicht so verstehen, dass ich Herrschaften uniformieren möchte. Stattdessen sollte dieser Text als ein Leitfaden verstanden werden für: Wie baue ich mir eine funktionierende Garderobe auf. Ich kann Ihnen garantieren, es ist ein System, das funktioniert. Herrschaften, die meinen, dass das Quatsch sei, können sich trotzdem gerne mit mir unterhalten. MM