Von absoluten Lieblingsteilen, Favoriten des Alltags und allem, wonach wir immer wieder greifen, wenn wir unsere Garderoben öffnen. Genau das ist auch der Zweck dieser Serie: Sie beleuchtet einzelne Kleidungsstücke und Accessoires, die zentrale Bestandteile unserer Garderobe darstellen und schon lange auf ihren großen Auftritt warten. Im ersten Teil: eine Hose von Christophe Lemaire.
Zwischen den Glasfassaden Frankfurter Hochhäuser staute sich die Sommerhitze. Es war ein gleißender Tag im Juli, als ich – auf der Suche nach etwas Abkühlung – einen Laden betrat. Zögerlich schlenderte ich vorbei an den Regalen und bereitete mich schon wieder auf die drückende Temperatur der Straße vor, als ich eine Hose entdeckte. Der Schnitt und die Farbgebung fielen sofort auf: Der Bund sitzt sehr hoch und verfügt über doppelte interne Falten. Die Beine sind geradegeschnitten und enden in einem weiten Saum. Der Baumwollstoff ist dünn und glänzt leicht. Die Farbe, ein roter Ockerton, der durch den Glanz des Stoffes zusätzlich an Tiefe gewinnt, ist fantastisch. Er weckt verschwommene Erinnerungen an Sommerurlaube in Südfrankreich.
Der hochsitzende Bund und die geradegeschnittenen Beine überzeugten mich auch bei der Anprobe: die Silhouette wird gestreckt, und am Saum entsteht eine klare Kante über dem Schuh. Da die Hose bis zum Saum kaum schmaler wird, entsteht eine boxenartige Seitenlinie. Als Antithese zu den meist sehr engen Hosen, die die Stadtbilder heutzutage prägen, wirkt das gerade Bein zeitlos und elegant. Da der Stoff nicht zu nah am Bein sitzt, entsteht in der Bewegung ein fließender Effekt. So trägt sich die Hose äußerst bequem und es bleibt Spielraum für die Betrachter.
So verließ ich den Laden voller Enthusiasmus – die Hitze verdrängt – mit einer Hose von Christophe Lemaire. Lemaire, der beim Entwurf der Hose wohl vor allem an seine Kindheit in Dakar und seine Lehre bei Yves Saint Laurent in den 1980er Jahren dachte, arbeitet inzwischen unter eigenem Namen. Die Kollektionen bestehen aus klassischer Herrenmode – Trends spielen hierbei nur selten eine Rolle. Die weit geschnittenen Anzüge werden durch lockere Hemden und T-Shirts ergänzt. Mäntel werden oft mit Gürteln versehen und deuten auch in der Silhouette Kimonos an. Zwischen Erdtöne und gedeckte Farben mischen sich bunte Tupfer. So entstehen zeitlose Kleidungsstücke, die eine klare Formsprache aufweisen und kompromisslos gefertigt sind.
Fünf Wochen nach Entdeckung der Hose war ich mit Max Mogg verabredet, um Maß zu nehmen für einen Anzug. Ich trug die Lemaire-Hose und kombinierte sie mit einem luftigen Hemd aus weißem Leinen. Das Hemd war dabei zwar nicht von Lemaire, der Stehkragen und der lockere Schnitt wären jedoch ganz in seinem Sinne. Einige Elemente der Hose, wie der hohe Bund, die internen Falten und das geradegeschnittene Bein finden sich auch in der Hose des Anzugs wieder. Und so zog einige Zeit nach der Lemaire-Hose ein weiteres Lieblingsstück in meine Garderobe ein. Doch hierzu mehr in einer weiteren Episode... YYS/MM/JHS