Herr Lush schließt das heimische Tor auf und findet sich in seiner Wohnung wieder.
Er war den ganzen Tag in seinem Lieblingsprivatmuseum unterwegs. Mit dem Kurator - ebenfalls Etonier - hatte er sich zwischenzeitlich "angefreundet" (Adj., britische Umschreibung für: man lacht über die selben schlechten Witze, siehe auch: aneinander uninteressiert). Herr Lush erzählte ihm beim Kennenlernen von einem Kunstwettbewerb, den er mit 19 gewonnen, aber beim Aufruf nicht angenommen hatte - der Bescheidenheit wegen. Beide lachten recht herzlich und gleichzeitig angewidert über die genetische Arroganz der Geschichte, die ein wenig Licht in den sonst tristen Tag brachte. Was denn das Motiv war, fragte der Kurator im schlecht sitzenden Kordjackett von Underson & Deppard seines Großvaters. Seit ich 15 Jahre alt war, malte ich jeden Tag den Gartenteich des Landsitz meiner Eltern. Das Premierenbild hat gewonnen, erwiderte Herr Lush in der alten, legeren Safari-Jacke, die er immer dann trägt, wenn er sich einen Anstrich eines künstlerischen Kolonialistensohns geben möchte. Dass die Maskerade für gewöhnlich auffliegt und er sich auch mehr oder minder sicher ist, dass das Gegenüber weiß, dass seine Familie keinen Landsitz besaß, sondern er bereits zu Großelterns Zeiten an den Staat verkauft wurde, ist ihm klar - er versucht es trotzdem immer wieder.
Zu Hause angekommen, lehnt er sich an die Küchenzeile und raucht die zweite Zigarette, die ihm sein Zigarettenkumpane, der ihm beim Weinkauf auf der St. James's Street begegnete, lieh. Herr Lush überkommt das leichte Gefühl der Peinlichkeit, als er sich daran erinnert, wie seinem Freund mindestens zehn seiner Streichhölzer aus seinem Jackett fielen und er sich demonstrativ seine Zigarette mit einem Feuerzeug anzündete. Auf dem Weg in das Wohnzimmer fallen ihm die alten Maßschuhe seines Onkels von Koster & Son auf, die sein Sohn trägt und zerstreut im Flur herumliegen. Dieser ist zurzeit auf Besuch, um Inspiration in London für seine Kunstarbeit zu suchen, wie er seinem Vater erklärte. Aus dem Gästezimmer klingt
...Morning, your toast, your tea and sugar,
Read about the politician's lover
Go through the day like knife through butter
Why don't you
You dress in the colours of forgiveness
Your eyes as red as Christmas
Purple robes are folded on the kitchen chair
Your gonna sleep like a baby tonight
In your dreams, everything is alright...
, ein Song mit dem sein langhaariger Sohn immer schon die Weiblichkeit beeindruckt hat. Aufmerksam geworden, schweift sein Blick auf einen alten Pelzmantel einer jungen Dame, die gepaart mit einem Paar gelben Lackleder Pumps von Banolo Manisch, die er letztens im Ausverkauf gesehen hat, ungeordnet daneben liegen. Oh Gott, wie meine Frau, denkt er zu sich selbst und geht allein zu Bett. MM