Herr Lush sitzt im schwarzen dreiteiligen Dinner Suit an der Hotelbar des Catoys. Seine auf Hochglanz polierten Opera Pumps von John Lobster mit einer eigens angefertigten Seidenschleife aus doppelter Rips-Seide, die anlehnt an die großen Schleifen, die sein Urgroßvater stets trug, passen hervorragend zu den etwas größeren seidenen Querrippen, mit denen sein wohltariertes breites Revers, seine Gallonstreifen, seine Paspeltaschen und seine Knöpfe bezogen sind. Dazu trägt er blutrote, knielange, gerippte Seidenstrümpfe, die eine perfekte Symbiose mit seiner Hautfarbe bilden, und ein eierschalenfarbenes Hemd aus Sea Island Baumwolle. Die einfachen Manschetten werden durch dezente weißgoldene Kettenmanschettenknöpfe, die gut zu seinen ebenfalls weißgoldenen Steckknöpfen in der Hemdenbrust passen, zusammengehalten. Er hatte am Nachmittag das Hotelpersonal gebeten, die abgewetzten Manschetten, die Brust und den abnehmbaren, leicht abgetragenen hohen Kragen - alles aus Marcella Piqué - zu stärken. Die Fliege ist eine Spezialanfertigung von einem Krawattenmacher für seinen Vater: eine single end bow tie aus weichem schwarzen Satin. Sein Scheitel wird durch eine strukturgebende, matte Creme in Form gehalten. Beim Schmuck entschied er sich für eine simple Armspange aus Rosegold aus dem Familiensortiment und seinen goldenen Familienring.
Das Glas, gefüllt mit French 75, um die gute Stimmung, die er hat, aufrechtzuerhalten, klingt jedes Mal wie ein Glockenspiel, wenn er es auf die marmorne Theke abstellt - die Freude an der Musik erlaubt seinem manierierten Gewissen, es immer erst danach auf den matten schwarzen Deckel zu stellen.
Das Gespräch mit dem Schneider war eine Offenbarung. Selten hatte er sich mit einer Person so gut verstanden wie mit dieser. Er fühlte sich für um tausend Jahre jünger und das obwohl er gestern mit dem Mann, der nach ehemaligen Bekanntenkreis so gar nicht seinem Niveau entsprach, zusammen fünf Flaschen italienischen Rotwein und eine halbe Flasche Whiskey geleert hatte. Die Gespräche pendelten von Kunst über Musik zu Ästhetik von Frauen - beim letzteren Thema kamen zu später werdender Stunde immer konkreterer Worte zu Tage, was ihn schmunzeln ließ.
Ein heiserer und zersauster Ozelot im Frack - wo auch immer der den her hat, denkt sich der erheiterte - nimmt neben ihm Platz, bestellt einen Martini, trinkt ihn in einem Schluck - wie ein Alkoholiker nach lange durchgehaltenen Entzug -, hebt das Glas und verlangt vom Barkeeper: Hätten Sie die Güte, Luft aus dem Glas rauszunehmen.
Harte Nacht?, fragt der lachende Lush.
Sei ein wenig dankbarer! Mit einer schönen Katze zu schlafen ist einfach, mit einer, die Pralinen als ihre Leibspeiße entdeckt hat, ist eine Aufgabe, faucht Olivier zurück, nimmt einen Schluck vom zweiten Martini und entspannt sich ein wenig.
Mit Komplimenten von der Gastgeberin, äußert der Barkeeper mit hämischen Lächeln zum Ozelot, der das Lächeln ähnlich, nur etwas boshafter entgegnete.
Du hast es also geschafft?, flüstert Lush in die spitzen Ohren des leicht reizbaren Karnivoren.
Hattest Du jemals Zweifel? Ich habe von den besten gelernt, konstatiert Spitzohr, während er die wunderschöne Form des Glas inspiziert.
Beide stoßen an und Ozelots Laune hebt sich.
Was sind die nächsten Schritte, Olivier?
Bekanntschaften machen. Kaum gesagt, stößt die Pfote des Ozelots Lush in die Richtung der Schönheit, die einige Augenblicke zuvor zwei Plätze neben ihnen auf den Barstuhl gesackt war. Die für Lushs Verhältnisse junge Dame trägt ein geschneidertes Kostüm aus schwarzer Schurwolle. Aufgrund ihres überbreiten Revers, das mit schwarzem Satin umrandet ist, der Hose mit Schlag und der ausgeprägten Pagodaschulter ist er sich fast sicher, dass das Kostüm in Knightsbridge bei Ward ed Tonsex entworfen wurde. Dazu trägt sie einen schwarzen Rollkragenpullover aus Seide und schmale, auf hochglanzpolierte schwarze Oxfords mit Seidenschnürsenkeln. Ihr schulterlanges, dunkelblondes Haar fällt wellig und ist seitengescheitelt. Der einzige farbliche Akzent sind ihre schmalen Lippen, die sie geschickt mit dunkelrotem Lippenstift betont. Ihr Parfum ist dezent und hat eine leicht melancholische Pariser Note - wahrscheinlich Karnickel Moutal. Sie sippt an einem weißen Cosmopolitan.
... meinst Du?
Ja.
Was soll ich denn machen?
Muss ich Dir jetzt noch das Toilettenpapier vorfalten???
Ok, ok. Ich geh' ja schon., murrt Lush, dessen Wangen der Farbe seiner Strümpfe nun mehr und mehr ähneln.
Darf ich mich zu Ihnen setzen?, informiert sich Lush beim blonden Geschöpf im höflichen Ton.
Nur gegen eine Zigarette!, entgegnet sie mit einem etwas gezwungen, aber nicht unfreundlichen Lächeln und dreht sich ihm zu.
Lush zückt seine Packung Georg Carelias und Söhne, die er über seinen Schneiderfreund kaufen konnte, und friemelt mit leicht zittrigen Fingern in der blau-goldenen Verpackung. Locker auf ihren Lippen liegend, zündet er die Zigarette mit vorangegangenen Bing seines goldenen Feuerzeugs von Dunhell an. Sie zieht genüsslich und pafft den Rauch mit zurückgelehntem Kopf gen Deckenschmuck des Hotels.
Sie wirken, als hätten Sie einen anstrengenden Tag gehabt?
Einen scheiß Tag!, antwortet sie entrüstet und hält sich danach den Mund, beschämt ob der Lautstärke - und der Vulgarität ihrer Formulierung, wie Lush hofft.
Was wird morgen für ein Wetter?, überleitet er geschwind.
Was hat das denn damit zu tun?, kichert sie, dankbar ob des eleganten Übergangs der unangenehmen Situation.
Weil an sonnigen Tagen trocknen unsere Tränen schneller.
Es würde eine gute Nacht werden. MM