Nach einer eher unsanften Landung irgendwo in Neuilly, einem anschließend unerfreulichen Gespräch mit der örtlichen Polizei - später dann dem Staatsschutz, saßen die vier wieder mit einem ewigwährenden One-Way-Ticket im Teurostar zurück nach London. Lush und die Zibraffen dürfen fortan keinen französischen Boden mehr betreten - Olivier konnte nicht aufhören, den Kopf zu schütteln angewidert von der unglaublichen Dummheit seiner Kumpanen. Von einem Schadensersatz wurde aufgrund Lushs desolater wirtschaftlicher Situation abgesehen - nach öffentlicher Zurschaustellung schwer zur Peinlichkeit Lushs. Strafe für einen Engländer nach Ansicht der französischen Behörden genug - wie Recht sie hatten.
In London angekommen schreiten die drei Übeltäter mit gesenktem Kopf zu Lushs Wohnung, während sie seit einem halben Tag Tiraden des Ozelots über sich ergehen lassen müssen. Wäre das schon nicht Strafe genug, bricht auch noch an der Wohnung angekommen Lushs uralter Haustürschlüssel im Schloss ab. Als der Ozelot kurz davor steht, seine bereits zerplatzte Hutschnur als Peitsche zu verwenden - er hatte Lush bereits schon monatelang damit gepeinigt, die Schlüssel endlich erneuern zu lassen -, grätscht ihm Lush dazwischen: "Ich kenne jemanden, der kann das Schloss knacken! ... ich bräuchte aber vielleicht Deine Hilfe, Olivier." Lush knirscht die Zähne bei dem Zusatz; der Ozelot knackt seine geballten Pfoten. Wenn die Katze einmal in Rage ist - das weiß Lush - dann sollte man gut überlegen, wie man seine Worte und Taten verpackt.
Ihr leichtes Gepäck legen sie kurz beim Nachbarn vor die Tür und begeben sich auf den Weg ... durch die ewig gleichaussehenden Straßenzüge Westlondons mit all seinen ewig eierschalenfarbenen potemkinschen Häuschen. Von den Balkons singen - wie zu dieser Zeit üblich - Pinguine zusammen Nina Simones Version von "I wish I knew how it would feel to be free". Ein Überbleibsel einer Tradition aus vergangenen Tagen einer nicht-enden-wollenden Pandemie.
"Nervtötend!", raunt der Ozelot zu sich selbst und den anderen.
"Wir sind ja gleich da!", meint Lush zurück.
Kurz in die nächste Straßenkreuzung eingebogen und am zweiten Haus geklingelt, hört man schon, dass eine Party auf dem Balkon in vollem Gange ist. Kurz danach surrt es kurz in die vier begeben sich durch den hölzerne Treppenaufgang zum ersten Stock.
Seine Ex-Frau feierte mit ihrem neuen Gatten eine Party mit den altbekannten und von Lush gemiedenen Freundes- und Bekanntenkreis.
Im Hausflur stehend, sagt Kiki zu Lush: "Du gibst es Dir aber heute richtig hart!"
"Manchmal muss ein Mann tun, was ein Mann tun muss.", erwidert Lush und seufzt.
Sie begeben sich rasch von den vielen Blicken der Gäste verfolgt zum Balkon, Lush in der Hoffnung, den zu finden, den er sucht. Auf dem schicken Balkon der Gastgeberin standen sie dann alle: die Bande des Reform Clubs und waren schon recht betrunken, als sie dann laut anfingen, in den immer noch hallenden Chor der Pinguine einzustimmen: "I wish I knew how it would feel to be free", um Lush auf den Arm zu nehmen. Dieser konnte nicht anders, als seine Hände zornig und zeitgleich traurig zu Fäusten ballen.
Er erblickt seinen Zigarettenfreund, der tüchtig in Richtung Lushs am Mitgröhlen ist, und geht auf ihn zu. Als Lush ihm nah genug steht, um ihn anzusprechen, ist dieser wenigstens so gnädig, den Ton zu senken.
"Entschuldige, dass ich Dich hier störe. Aber ... ich hab ein Problem!" Lush kramt den abgebrochenen Schlüssel aus seiner Tasche und zeigt ihn dem vergangenen Zigarettenfreund.
"Ich befürchte, dass ist nicht Dein einziges Problem, Lush! Man hört interessante Geschichten aus Paris.", lacht der Ex-Kumpane.
"Der Elfmeter lag Dir auf den Füßen ... schon in Ordnung, dass Du ihn verwandelt hast. ... aber wärest Du so nett, uns hier zu helfen. Damals in Eton hattest Du doch auch Türen knacken können. Ich komme nicht in meine Wohnung!"
"Nicht mein Problem, Lush! Zieh ab, Du Abgebrannter!"
Es setzte noch von seiner Ex-Frau - sie hatte ihn gerade entdeckt - eine Ohrfeige von hinterrücks - "Was fällt Dir eigentlich ein, hier unangemeldet aufzuschlagen?!" - und es wurde zum Rückzug geblasen. Mit tief gesenktem Haupt verließ Lush die Szenerie und der Ozelot und die Zibraffen folgten ihm unaufgefordert.
Zurück auf der Straße angekommen und müde Lacher und mildes Winken vom Balkon weiterhin empfangend, sagt Lush zu Gruppe - er bemüht sich um eine unverletzte Körperhaltung und Tonalität: "Das war wohl ein Schuß in den Ofen. Irgendwelche besseren Ideen?"
Ozelot - der von der ganzen Unmenschlichkeit, die sich gerade vor seinen Augen abgespielt hat, zu Tränen gerührt auf der Straße steht - geht auf Lush zu, klopft ihn auf die Schulter und sagt: "Das nächste Mal fragst Du mich - ich hab die Nummer von Ingo Messerschmidt. Ach ja ... und tu' mir einen Gefallen... wir gehen nie mehr in diese Gesellschaft."
"You don't mean a thing, if you ain't got that swing.", beginnt Lush zu summen. MM/JHS
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