Das war kein Interview, das war ein Dialog!, dachte ich mir, als ich die 29 Savile Row in London verließ. Dass Ben Clarke, Cutter von Richard James Bespoke, ungefähr genauso interessiert an meinen Ansichten war wie ich an seinen, überraschte mich doch ein wenig. Es fiel mir vor der Tür stehend wie Schuppen von den Augen. Die junge Geschichte und die Philosophie des Hauses spiegelt sich auch noch heute im Auftreten wider: Sich vom konservativen Gedanken der Soldatenuniform und Businessanzüge zu lösen und den Spaß an Individualität beim Kunden zu wecken. Das gefiel selbst dem Savile Row Übervater Sir Hardy Amies, der in den anfänglichen Tagen des Hauses sein prüfendes Auge über die pinken und grünen Entwürfe im Schaufenster streifen ließ. Erste Reaktion, kurzes ungläubiges Kopfschütteln; zweite Reaktion, Lächeln!, erklärte Richard James einmal in einem Interview.
Richard James - Das "New Bespoke Movement"
1992 - ein großartiges (Geburts-)Jahr - markiert den Anfang des Hauses Richard James. Der Namensgeber tat sich mit Sean Dixon zusammen, um eine wahnsinnige Geschichte zu schreiben. Eine neue Generation an jungen, kreativen Schneidern, die von der Fashion Bewegung der Neunziger stark beeinflusst waren - auch genannt "New Bespoke Movement - , zog es an die Savile Row. Die Philosophie des Hauses war es, klassische Herrengarderobe zu kreieren und dabei die Grenzen mit Farb-, Muster- und Materialexperimenten in Richtung Jugend zu verschieben. Es wurde gleich Ready-To-Wear und verschiedene Made-To-Measure-Services angeboten, ohne dabei den Respekt zum Bespoke zu verlieren. Von Beginn an wurden die verspielten und farbigen Entwürfe mit einem Hang zu Glamour auf Kunden wie Sir Mick Jagger, Sir Elton John oder Jude Law auf Maß geschneidert.
Auszeichnungen für seinen Mut
Richard James war Founding Member der Savile Row Association in 2004 - ein Zusammenschluss der Savile Row Schneider, der die Traditionen des Bespoke Tailoring auf der Savile Row schützt und bewirbt - und hat mit seiner großartigen Arbeit vorzüglich dazu beigetragen, die Savile Row zu entstauben und zu verjüngen. Das Lob von Colin McDowell, Autor verschiedenster Bücher über Kleidung, finde ich viel wertvoller als die Auszeichnung zum British Fashion Council's Menswear Designer of the Year und Bespoke Designer of the Year in 2011. Er beschrieb Richard James als the best colourist working in menswear in London today.
Ben Clarkes fünf Ansichten zur Mode
Im Gespräch mit Ben kristallisierten sich fünf Ansichten zur Mode heraus, die so modern wie zeitlos sind und deswegen von jedem Gentleman als Inspiration betrachtet werden sollten:
- Man tut gut daran, die Tradition und die Regeln zu verstehen, bevor man anfängt, sie zu brechen.
- Unsere moderne Gesellschaft hat einen Hang zu casual. Das müssen wir als Schneider wahrnehmen und uns anpassen, anstatt die Gesellschaft als stillos zu bezeichnen.
- Schnitt und Farbe sind die wichtigsten Werkzeuge des Schneiders, um die Persönlichkeit des Kundens nonverbal auszudrücken.
- Sich zu kleiden, sollte Spaß machen und keine unangenehme Bürde sein.
- Stehe zu Deiner Individualität.
Zusatzinformationen
Erstens, Richard James selbst war kein ausgebildeter Schneider der Savile Row, sondern Absolvent des Brighton College of Arts und Einkäufer der Londoner Boutique Browns. Zweitens, Ben ist auf der ganzen Row bekannt für seinen unersättlichen Fleiß und seine enorme Kreativität. Er hat eine Ausbildung zum Coatmaker und zum Cutter und ist zurzeit der einzige full-time cutter bei Richard James. Drittens, alle Anzüge von Hugh Grant in Bridget Jones sind von der 29 Savile Row. Letztens, Richard James' Maßanzüge fangen bei £4425 an. MM